Samstag, Januar 13, 2007

Endstation Sehnsucht

Die Hyänen – Einer muss sie jagen (Savage Dawn)
USA 1985
Regie: Simon Nuchtern, Drehbuch: Max Bloom, Bill Milling, Kamera: Gerald Feil, Musik: Pino Donaggio, Schnitt: Gerald B. Greenberg, George Hively
Darsteller: George Kennedy (Tick Rand), Lance Henriksen (Stryker), William Forsythe (Pigiron), Karen Black (Rachel), Richard Lynch (Reverend Romano), Lewis van Bergen (Deputy Joe Bob)

Synopsis: Der Ex-Soldat/Söldner Stryker ist des Tötens müde und sucht Ruhe bei seinem besten Freund und ehemaligem Armeekamerad Tick. Gemeinsam haben sie etliche Menschenleben auf dem Gewissen, doch nun suchen sie nur noch ihren Frieden. Just zu diesem Zeitpunkt wird das Dörfchen aber von den „Savages“ heimgesucht, einer Rockergang unter der Führung des aufbrausenden Pigiron. Als man die Rocker mit Waffengewalt vertreiben kann, schwören diese, unerbittlich zurückzuschlagen.

FUNKHUNDD: In ihrer Grundkonstellation gibt es zunächst einige Parallelen zwischen DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN und Sarafians DER TIGER: In beiden Filmen wird ein kleines Städtchen in der Wüste von einer Rockergang bedroht und die Situation eskaliert mit der Ankunft des Helden. Doch anders als sein Kollege Sarafian verortet Nuchtern seinen Film nicht im Wilden Westen mit seinen moralisch einwandfreien Helden, sondern im Endzeitfilm: Das Wüstendorf, trotz seiner geringen Größe ein Schmelztiegel verschiedener Nationen und Kulturen, stirbt langsam aus, die Goldmine steht längst leer und auch sonst finden sich einige brachliegende Industriebauten in der Peripherie. Inzest scheint ebenfalls ein Problem zu sein – gleich zu Beginn sieht man sehr exponiert einen geistig Behinderten und einen Liliputaner durch das Dorf staksen – und der zivilisatorische Niedergang schlägt sich nicht zuletzt darin nieder, dass selbst der Deputy sich bei öffentlichen Faustkämpfen in der örtlichen Bierschwemme „Tomkat Club“ sein Zubrot verdient. In diese Ruhe vor dem Sturm kommt Stryker und es ist klar, dass der Ort sich auf einen Showdown biblischen Ausmaßes vorbereiten muss.

DER AUSSENSEITER: DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN – ich liebe diese herrlich sperrigen deutschen Verleihtitel – ist in vielerlei Hinsicht eher ein Stimmungsfilm, dem es nicht so sehr darum geht, eine plausible Narration oder sukzessiv aufbauende Dramaturgie zu entwickeln. Er ist das atmosphärische Gegenstück zu einem MADE OF STEEL – HART WIE STAHL. Dieser nutzt das Genre des Bikerfilms auch nur als einen Aufhänger, um seine Höllenabstiegsgeschichte zu erzählen. Doch wo es Ferguson mehr um die Thematisierung geht und sein Werk dadurch etwas sehr Rationales erhält, möchte Simon Nuchtern mehr in die Stimmung von Tod und Untergang eintauchen, sie sozusagen von der ersten Einstellung an für den Zuschauer erfahrbar machen.

FH: DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN ist leider etwas in Vergessenheit geraten: Auf DVD ist er bislang nicht erhältlich. Das liegt vielleicht auch an seinem eher unbekannten Regisseur, der nach diesem keinen weiteren Film mehr gedreht hat, sich aber dafür bis in die Neunziger als Produzent verdingt hat, unter anderem für japanische Märchenfilme. Seine Besetzung macht DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN aber zum echten Schmankerl des Genres: Lance Henriksen stand kurz vor seinem Durchbruch mit ALIENS – DIE RÜCKKEHR, William Forsythe (hier noch als Bill Forsythe gecreditet) stand kurz zuvor noch für in ES WAR EINMAL IN AMERIKA vor der Kamera und George Kennedy, Richard Lynch und Karen Black waren in den Achtzigern im Exploitationfilm auch immer wieder gern gesehen. Besonders die beiden Letztgenannten haben hier Rollen abbekommen, die ihnen die richtige Bühne für saftiges Overacting bieten. Karen Black ist als schlampige White-Trash-Kneipenbesitzerin sehr in character besetzt, Richard Lynch, sonst hyperbolischer Superschurke (etwa in INVASION U.S.A.), gibt hier den bigotten, ängstlichen und opportunistischen Priester und Bürgermeister, der eine seinem Berufsstand widersprechende Vorliebe für junge Frauen hat.

A: Die Ausgangskonstellation, die Nuchtern und seine Drehbuchautoren Bloom und Milling anbieten, ist für den europäischen Kulturkreis nur bedingt nachvollziehbar, da sie in der amerikanischen Geschichte tief verwurzelte Ängste und Hoffnungen kollidieren lässt. Was hierzulande wie eine reine Endzeitvision anmutet, ist dort noch mehr: die nur einen Schritt weiter gedachte destruktive Vorstellung eines in die Gegenwart katapultierten (Alb)Traumes vom Wilden Westen, der aufgrund seines Bezuges zur gegenwärtigen Realität keine Helden oder Mythen mehr kennt und so der Zuschauer nicht nur dem Untergang einer Zivilisation beiwohnt, sondern nur noch resigniert das Sterben der gesamten Idee vom Menschsein konstatieren kann. Es können keine Alternativen mehr angeboten werden, da der Mensch sich selbst der größte Feind ist.

FH: DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN erinnert streckenweise an den italienischen Action- und Endzeitfilm der Achtziger-Jahre. Die Rocker haben mit ihren Fantasiekostümen wenig mit den Bikern aus MADE OF STEEL – HART WIE STAHL oder auch STONE COLD – KALT WIE STEIN gemein und erinnern mehr an MAD MAX und seine italienischen Epigonen, genauso wie die Atmosphäre von Tod und Apokalypse, die durch das Wüstenkaff weht, das wie eine in die Gegenwart transferierte Italowestern-Stadt aussieht. Auch der Synthiescore von Pino Donaggio unterstreicht diesen Eindruck. Mit seinen italienischen Verwandten teilt DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN auch den Hang zum Sleaze. Es wird wüst geflucht und geschimpft, Pigiron rotzt bei jeder Gelegenheit durch seine Zahnlücke, Karen Black gibt die Botox-verseuchte Superschlampe, die sich am Ende im Clinch mit Strykers love interest im Dreck wälzt, Richard Lynch hat eine ultraschmierige Szene, in der er sich im kochfesten Doppelripp mit Eingriff auf einer Rockerin räkelt. Dazu gibt es entblößte Brüste in rekordverdächtiger Folge zu begutachten. Und um das alles noch zu toppen, ist Strykers oben genanntes love interest Katie auch noch die Tochter von Tick und als solche gut 20 Jahre jünger als unser Held. Beim letzten Besuch, so erinnern sich beide zu Beginn des Films (nachdem sie ihm ohne Vorwarnung die Zunge in den Hals gerammt hat), war sie noch ein kleines Kind, während er sich in den Kriegen dieser Welt verdingte.

A: Bereits die ersten Bilder des Films erinnern an MADE OF STEEL – HART WIE STAHL: ein einsamer Motorradfahrer auf dem Highway, die aufgehende Sonne erhitzt die Wüste, karge Landschaften, die durch die ein oder andere Fabrik oder Lagerhalle deutlich machen, dass wir uns im industrialisierten Zeitalter befinden. Doch Donaggios Panflöten aus dem Synthesizer lassen hier gleich eine ganz andere Stimmung aufkommen. Stryker ist ein Mann auf der Flucht. Nicht im herkömmlichen Sinne, sondern auf der Flucht vor der Welt da draußen. Ein voll ausgebildeter Killer, der, wie eine der Figuren im Film sagt, im Krieg genug Leute kaltgemacht und Tausende in den Tod geführt hat. Hiermit wird die zivilisierte Welt bereits als Ort des Chaos skizziert, von dem man eigentlich nur weg möchte. Eine konservative Sicht wie man denken könnte, doch entpuppt sich die Zuflucht auf dem Land nicht als Kraftquell und Hort der Ruhe, sondern als degenerierte Version eines amerikanischen Pionierstädtchens. Gerade so als ob die Sawyers aus BLUTGERICHT IN TEXAS die Stadtväter wären.

FH: Sehr guter Vergleich! Wie auch in Hoopers BLUTGERICHT IN TEXAS ist das Idyll des Hinterlandes in DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN längst zur tödlichen Falle geworden. Als Helden können demnach auch keine moralischen Saubermänner mehr dienen, sondern nur noch emotional erkaltete Männer, die das Tötungshandwerk von der Pike auf gelernt haben und den Bösewichtern in Gewissenlosigkeit nicht nachstehen. Ideologisch fällt Nuchterns Film somit kaum aus der Reihe. Zwar haben die schrecklichen Erlebnisse in den Kriegen dieser Welt Stryker zum schweigsamen loner gemacht, aber das gehört irgendwie auch zum Glamour des Söldner- und Soldatenlebens dazu. Tick und Stryker können sich nur von ihrer Vergangenheit verabschieden, weil sie sie damals in vollen Zügen „genossen“ haben, ohne darüber nachzudenken. Dass sie dem Reiz dieses Lebens immer noch erlegen sind, zeigt sich unter anderem daran, dass Tick immer noch nichts Besseres zu tun hat als Bomben und andere Waffen selbst zu bauen und darauf zu hoffen, sie irgendwann noch einmal einsetzen zu können. Und am Schluss fallen beide wieder in ihre alten Rollen zurück, erhalten sie ausgiebig Gelegenheit, Bösewichte zu jagen und umzubringen; sogar den Behinderten spannen sie für ihre Zwecke ein. Die Zweifel an ihrem ehemaligen Lebenswandel sind wie weggeblasen: In manchen Situationen ist es eben einfach besser, sich nicht lang mit Fragen aufzuhalten.

A: Ja, nur glauben sie diesmal einer moralisch guten Sache zu dienen. Tick versucht der Stadt zu helfen, auch wenn das in mehrfacher Hinsicht ein hoffnungsloses Unterfangen ist, während Stryker die Sinnlosigkeit seines Tuns schon eher bewusst scheint. Ihr Scheitern unterstreicht die Hoffnungslosigkeit eines Mensch-Seins in einer jeden Welt. Sie machen es noch einmal wie in alten Zeiten und müssen dafür beide mit ihrem Leben bezahlen. Tick im wörtlichen und Stryker im übertragenen Sinne.

FH: Richtig, denn das normale Leben, das Stryker sucht, wird für ihn immer von den Geschehnissen der Vergangenheit überschattet und deshalb unerreichbar sein. Betrachtet man DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN genauer, so fällt auf, dass der Konflikt zwischen den Rockern und der Stadtbevölkerung auch ein Konflikt zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist, zwischen Alt und Jung, und somit auch stark ödipal aufgeladen ist: Pigiron ist ein juvenile delinquent wie er im Buche steht (und knüpft deshalb auch an die Rockertradition der Fünfziger-Jahre und eines DENN SIE WISSEN NICHT, WAS SIE TUN an), weshalb ihm auch die schon in die Jahre gekommene Rachel verfällt, die mit den ganzen Spießern nichts zu tun haben möchte. Ihre Rebellion ist auch ein Rückfall in die eigene Jugend. Der Streit zwischen den Generationen tritt aber auch in der Konstellation von Sheriff und Hilfssheriff hervor: Während Deputy Joe Bob als schlagkräftiger Draufgänger stadtbekannt ist, weiß jeder, dass der Sheriff vor handfesten Auseinandersetzungen zurückschreckt. Er ist nicht in der Lage, die Bedrohung durch die Rocker abzuwenden. Seine gezückte Waffe schüchtert niemanden ein, weil jeder weiß, dass er eh nicht abdrücken wird.

A: Diese Konflikte spiegeln den ewig gleichen Generationenkonflikt wieder, der den grimmigen Defätismus Nuchterns transportiert: der ewige Kampf des Menschen gegen sich selbst. Das Einfallen der „Savages“ ist im Grunde der unabwendbare Todesstoß, der für diese Stadt schon längst überfällig war. Sie wirken wie der Morast der Gesellschaft, der sich neu formiert hat und nun auch in die Peripherie, in die einst als sicher geltenden Regionen vordringt, um Unheil und Zerstörung zu verbreiten. Nur sind diese Regionen eben ihrerseits schon verfault und liegen im Sterben. Somit bietet unser Abschluss zum Thema „Bikerfilme“ eine schöne Klammer mit dem zu Beginn besprochenem DER TIGER. Beide Filme könnten kaum weiter auseinander liegen. Während Sarafians Werk an seiner biederen Spießigkeit scheitert, da er die Probleme als singuläres Ereignis einer sich nicht unterordnen wollenden Gruppierung schildert, die eine eigentlich funktionierende Friede-Freude-Eierkuchen-Welt stört, stellt Nuchtern uns eine von Grund auf dysfunktionale Gemeinschaft gegenüber, die durch die „Savages“ ihrem unausweichlichem Ende zugeführt wird.

FH: Das sehe ich auch so. Während Sarafian keine Fragen offen lässt (und deshalb auch nicht in der Lage ist, Antworten zu geben), spielt Nuchtern mit den Leerstellen, die die eigentlichen Ursachen des Untergangs sind: Wie der Streit zwischen Alt und Jung den ganzen Film über beständig im Hintergrund schwelt, ohne jedoch explizit thematisiert zu werden, bleibt in DIE HYÄNEN – EINER MUSS SIE JAGEN Einiges zwischen den Zeilen verborgen. Tick erwähnt gegenüber Reverend Romano, als dieser sich Hilfe suchend an unsere beiden Helden wendet, dass sie doch früher auch nie fein genug für die braven Bürger gewesen seien. Und auch Rachels plötzliches Überlaufen zu den Rockern deutet eine tief sitzende Verletzung und Demütigung durch die Dorfbewohner an, die jedoch niemals expliziert wird. Durch diese seltsamen Aussparungen erhält Nuchterns Film eine Dimension, die er an anderer Stelle, etwa der Charakterisierung seiner Figuren, eher vermissen lässt.

A: Dass es für die Menschen dieser Stadt, im metaphorischen Sinne für die Menschheit, keine Hoffnung geben kann, zeigt sich dann im Finale: Als die „Savages“ militärische Waffen erbeutet haben und mit einem Panzer und gepanzerten Fahrzeugen in die Stadt einfallen, kann Pigiron sich dort wie ein König aufführen und Rachel ihre ganz persönlichen Frustrationen, die sie in einer solchen Stadt erfahren musste, an sämtlichen Bewohnern auslassen. Höhepunkt dürfte die bestialische Tötung des Geistlichen sein, der vom Panzer überrollt wird, was von Pigiron und Rachel mit Teenagergekicher goutiert wird. Die Explosionen bilden hier den Hintergrund für die biblische Apokalypse und wie eine Epiphanie steigt Stryker aus all den Feuerwolken empor, um seinem alten Freund Tick zu helfen, der im Rollstuhl und zusammen mit seinen Kindern die Bande allein vertreiben wollte.

FH: Stryker erinnert beinahe an den Drifter aus Eastwoods EIN FREMDER OHNE NAMEN. Zwar erhält er einen ganz klar menschlichen Background, dennoch bleibt die Figur leblos und kalt. Als Tick seinen Freund fragt, ob er zur Zeit seines letzten Anrufs in Beirut oder El Salvador weilte, antwortet Stryker nur, dass er „noch viel weiter weg“ war. Damit spielt er natürlich nicht nur auf die Absurdität seines Jobs und die Unübersichtlichkeit der Welt an, sondern legt vielmehr nahe, dass er einen inneren, einen metaphysischen Konflikt auszutragen hatte.

A: Doch Strykers Taten sind nur noch das Abhaken der Liste. Er tötet einen nach dem anderen. Und selbst als er Boss Pigiron zur Strecke gebracht hat, kennt er keine Gnade. Stryker ist eine Maschine, lässt die brennende Stadt mit all den Leichen hinter sich, um auch die letzten flüchtenden Mitglieder der „Savages“ zu erwischen und sie ihrem „verdienten“ Ende zuzuführen. In einer Fabrik irgendwo in der Wüste erledigt er auch den Letzten und während wir dessen Todesschreie im Hintergrund hören, geht Stryker ein Bahngleis entlang, das ihn in die Wüste führt. In einer derart kaputten Welt kann ein innerlich kaputter Mensch wie er keinen Frieden finden. Vielleicht marschiert er jetzt direkt in die Hölle?