Montag, Februar 02, 2009

Vier von der Infantilie

Das A-Team: Verschollen in Mexiko (The A-Team: Mexican Slayride)
USA 1982
Regie: Rod Holcomb, Drehbuch: Stephen J. Cannell, Kamera: Bradley B. Six, Musik: Pete Carpenter, Mike Post, Schnitt: Ronald LaVine, George R. Rohrs, Howard Terill, Darsteller: George Peppard (John „Hannibal“ Smith), Tim Dunigan (Templeton „Faceman“ Peck), Dwight Schultz (H.M. „Howling Mad“ Murdock), Mr. T (Bosco „B.A.“ Baracus), Melinda Culea (Amy Armanda Allen)

Synopsis: In Mexiko gerät ein amerikanischer Journalist in die Gefangenschaft von Banditen. Seine Freundin Amy kontaktiert daraufhin das „A-Team“: eine ehemalige Eliteeinheit aus dem Vietnamkrieg, deren Mitglieder für ein Delikt aus den letzten Kriegstagen ungerechtfertigt auf der Fahndungsliste der Behörden stehen und deshalb untergetaucht sind. Mit ihrer Hilfe hofft Amy ihren Freund aus der Gefangenschaft befreien zu können ...

Der Außenseiter: Unseren Reigen über Action- und Krimiserien aus den 1980er-Jahren wollen wir mit einem prototypischen Vertreter eröffnen. Die inszenatorischen Standards der Serie sind sowohl geprägt von den formalen Aspekten gängiger Krimiserien der vorherigen Dekade als natürlich auch den immer gleichen Storys, die in ihrem Verlauf schematisch gestaltet sind. Auffällig ist an unserer Auswahl, dass drei Serien von Universal Pictures produziert worden sind, außer STINGRAY, die aber wiederum auf das Konto Stephen J. Canells geht. Der hat neben DAS A-TEAM auch TRIO MIT VIER FÄUSTEN, HARDCASTLE UND McCORMICK, HUNTER, 21 JUMP STREET oder RENEGADE zu verantworten und war damit sehr prägend für die 80er-Jahre. Bei DAS A-TEAM merkt man deutlich, mit was für einem harten Bruch man sich von der depressiven Stimmung der 70er emanzipieren wollte. Der frische Wind, den Ronald Reagan ins Weiße Haus brachte – er wollte es sich zu einer seiner Hauptaufgaben machen, die Schmach des verlorenen Vietnamkrieges vergessen zu lassen –, sollte dazu führen, dass eine Geschichte um vier ehemalige G.I.s zu einem Söldnerspektakel alter Schule wurde. Infantilismus ist Trumpf in der Welt des A-Teams.

Funkhundd: Man könnte sogar sagen, dass mit DAS A-TEAM, die ja einen der ersten Vertreter regressiver und revisionistischer US-Unterhaltung des Jahrzehnts darstellt, auch schon der Gipfelpunkt an Verharmlosung und Infantilisierung erreicht worden war: Eine Steigerung war in dieser Hinsicht schon zu diesem frühen Zeitpunkt kaum noch möglich, der nächste Schritt konnte nur noch die offene Persiflage sein. Dieser revisionistische Charakter tritt vor allem dadurch so deutlich zu Tage, weil die Ursprünge von DAS A-TEAM so offensichtlich sind. Der zigarrekauende, vor Selbstbewusstsein nur so strotzende Hannibal ist ein Rückgriff auf die kernigen Helden des Kriegsfilms der Sechzigerjahre, Faceman verkörpert hingegen den eloquenten, gutaussehenden, charmanten Conman, der seine Vorläufer in der James-Bond-Reihe oder den Caper-Movies á la TOPKAPI oder THE ITALIAN JOB hat, und B.A. - "Bad Attitude" - setzt die Blaxploitation-Tradition des vorigen Jahrzehnts fort, mit der Ausnahme, dass der einstigen „schwarzen Bedrohung“ jeglicher phallische Impetus entzogen wurde. Er ist nicht mehr als ein großes Kind und fungiert als Witzfigur, als schlagkräftiger Kuschelbär – ein krasser Gegensatz zu seiner Rolle in ROCKY III, in dem sein bedrohliches Potenzial voll ausgereizt wird. Die Figur, an der sich die Strategie und der Geist der Serie aber am deutlichsten abzeichnen, ist Murdock: In dem vom Vietnamkrieg traumatisierten Veteran, dessen Psychosen ihn absolut unberechenbar machen, erkennt man zwar noch die seelisch zerstörten Protagonisten des Vietnamfilms der Siebzigerjahre und auch den Exterminator aus Glickenhaus’ gleichnamigem Film wieder, doch ist er von jeglichem verstörenden und tragischen Potenzial vollkommen befreit. Sein Trauma wird zum lustigen Spleen degradiert, ja, es wird sogar immer wieder thematisiert, dass sein Wahnsinn möglicherweise nur gespielt ist. Der Vietnamkrieg, dessen Folgen noch kurz zuvor wie eine dunkle Wolke über den USA hingen, wird in DAS A-TEAM zum Abenteuer verzeichnet, das aus Männern erst echte Originale gemacht hat. Eine Aussage, die in den Achtzigern (und auch vorher schon) zwar immer wieder, aber nirgendwo in einer solch krassen Konsequenz gemacht wurde, wie hier.

A: Und diese „Originale“ kommen in ihrer Darstellung über den Typ, der an ihnen auf Anhieb erkennbar ist, auch nie hinaus. Jegliche politische wie psychologische Komplexität musste aus der Serie entfernt werden, damit sie beim (amerikanischen) Publikum nicht aneckt. Warum also ausgerechnet dieser brisante Hintergrund, der erst wenige Jahre zurück lag, gleich mit so viel Dampf in eine völlig verharmlosende Richtung gelenkt wurde, lässt sich nur mit dem Prinzip der Repression erklären, die so symptomatisch für die Reaganomics sein sollte. Im Jahr 1982 war dem Film RAMBO ein großer Erfolg in den Kinos beschieden, da er den Widerspruch – Heimkehrerdrama auf der einen, knalliger Actionfilm auf der anderen Seite – verband. Er konnte somit die Leistungsfähigkeit der für Vietnam ausgebildeten amerikanischen Soldaten vorführen und Verständnis für den vom Volk in seinem Verlauf nicht erklärbaren Krieg finden - freilich nur für die amerikanischen Opfer und so entwickelte er seine Kritik schließlich darin, dass sich dieses Können plötzlich gegen die amerikanische Bevölkerung richtet. In DAS A-TEAM ist das letzte Überbleibsel dieser Problematik darin zu finden, dass sie, zu Unrecht auch noch, als Kriegsverbrecher gejagt werden und deswegen untertauchen mussten. Das machen sie bezeichnenderweise dann auch in den USA, da sie sich schließlich als Amerikaner verstehen, und auch wenn ihre eigene Regierung sie gnadenlos jagt, finden sie dank ihrer im Krieg erlernten Fähigkeiten immer noch genug Zeit, ihre Dienste der guten Sache zur Verfügung zu stellen.

FH: Die Diskurse, die den Actionfilm der Achtziger bestimmen sollten – neben den von dir genannten kommt meines Erachtens nach noch der Konflikt zwischen der militärischen bzw. politischen Obrigkeit und dem „kleinen Mann“, also dem Befehle empfangenden Soldaten oder dem sich selbst als machtlos empfindenden Bürger hinzu, der sich von „denen da oben“ immer verraten fühlt –, werden in DAS A-TEAM von ihrer existenziellen Dringlichkeit vollkommen abgekoppelt und erhalten einen an die Burleske erinnernden spielerischen Charakter. Dass die Mitglieder des A-Teams auf der Fahndungsliste sämtlicher Behörden stehen, ist für sie eigentlich eher willkommene Herausforderung und keine Bedrohung. Das zeigt sich, wie du richtig sagst, daran, dass sie in den USA bleiben und sich der Gefahr, entdeckt zu werden, bereitwillig aussetzen, obwohl sie sich ihr doch jederzeit durch Ausreise entziehen könnten, wenn sie nur wollten. Auch in diesem Pilotfilm bereitet es ihnen ja keinerlei Schwierigkeiten, die Grenze nach Mexiko und zurück zu überqueren. Der die Jagd auf sie anführende Colonel Lynch ist dann auch lediglich Zielscheibe des Spotts, wenn er immer und immer wieder ausgetrickst und vorgeführt wird, ohne je aus seinen Fehlern zu lernen, und reiht sich nahtlos in die lange Ahnengalerie inkompetenter, aber fanatischer Ordnungshüter ein. Dass das A-Team eigentlich – so zumindest die Prämisse der Serie – dafür kämpft, seine Unschuld zu beweisen, gerät so während der fünf Staffeln der Serie zu bloßen Staffage, weil letztlich keinerlei Konsequenz für sie daraus erwächst: Sie bewegen sich sowieso jenseits solcher Zuschreibungen wie „legal“ oder „illegal“ (insofern ist Michael Knight aus der zeitgleich entstandenen Serie KNIGHT RIDER ein Geistesverwandter). Die gern persiflierten Auswüchse der „sanitized violence“, die wohl nirgends so auffällig sind wie in DAS A-TEAM, wo Menschen in die Luft gejagt werden, nur um sich anschließend lapidar über Kopfschmerzen zu beschweren, passen genauso in dieses Konzept wie die milden selbstreferenziellen Ansätze.

A: Logischerweise ist die weitere Abstufung der figuralen Qualitäten gemessen an den Hauptfiguren weiter abwärts verlaufend. Amy Allan, das inoffizielle fünfte Teammitglied, kommt über die engagierte, investigative Journalistin nicht hinaus. Col. Lynch ist nichts weiter als die Karikatur eines Kommisskopfs gängiger Militärklamotten. Die an DIE GLORREICHEN SIEBEN erinnernde Eröffnungssequenz des Pilotfilms, die vielleicht einzig atmosphärische Szene des in allen filmischen Belangen bescheidenen Werkes, muss für die nächsten 70 Minuten ausreichen, um uns die Bösewichter zu skizzieren. So kommt diese auf abendfüllende Spielfilmlänge gedehnte Serienfolge nur deshalb zu ihren 93 Minuten, weil uns, in den jeweiligen Sequenzen wie nebeneinander gestellt wirkend, die einzelnen Mitglieder des A-Teams vorgestellt werden. Es scheint fast so, als würden die Figuren mit ihren Darstellern eine Art Liaison eingehen: Der draufgängerische „Hannibal“, der von George Peppard in geradezu unerträglich selbstgefälliger Weise dargeboten wird, ist, wie sein Spitzname ja schon verrät, in der Lage, dass Unmögliche möglich zu machen, „Faceman“, hier noch von Tim Dunigan gegeben, ist der alles herbeischaffende, die weibliche Welt bezirzende Organisator, Murdock alias Dwight Schultz, der sich damals in therapeutischer Behandlung befand und seine Therapeutin später heiraten sollte, und B.A, gespielt von Amerikas berühmtem VIP-Bodyguard Mr T. Diese sich aus der Besetzung ergebende Referenzialität scheint sogar bewusst eingesetzt zu werden, wenn Hannibal in drittklassigen Horrorfilmen mitspielt und sich wie zwanghaft verkleiden muss und dem Dunigan ersetzenden ehemaligen Starbuck der Galactica, Dirk Benedict, später in der Serie ein Cylone über den Weg läuft. Interessanter und in direkter Verbindung mit der Vietnamthematik stehend sind Murdock und B.A. Bei ersterem erkennen wir, wie Du schon erwähntest, als einzigem die psychologische Komponente des Vietnamkriegs, welche den traumatischen/traumatisierten Bezug zur Nation herstellt; bei B.A. die soziologische, kommt er doch, wie die meisten farbigen Soldaten des Vietnamkriegs, aus dem Ghetto, in das er auch wieder zurückgekehrt ist und den dortigen Kindern die Mär vom amerikanischen Traum und Familienwerten erzählen kann.

FH: Passend dazu trat Mr. T ja auch in Sesamstraßen-artigen Erziehungsvideos auf, in denen er Kinder zu Fleiß und Ehrgeiz anspornte und den Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Mythos bemühte, für den ja auch er ein Beispiel war. Er ist damit ein Glied in einer langen Kette afroamerikanischer Stars, die solchermaßen instrumentalisiert wurden und dabei selbst verkannten, dass nicht allein ihre eigenen Talenteu nd ihr eigener Ehrgeiz, sondern vor allen Dingen die Gewogenheit der Unterhaltungsindustrie für ihren Erfolg verantwortlich war. Wo Mr. T heute steht, weiß man ja – oder eben nicht, was aber letztlich aufs selbe hinausläuft. Der von dir erläuterte Metacharakter von DAS A-TEAM findet sich aber nicht nur in der Charakterisierung der Protagonisten, sondern in der gesamten Handlungsstruktur. Hannibal schlüpft immer wieder in absurde Verkleidungen, auch wenn dies eigentlich gar nicht erforderlich ist. In dieser Hinsicht steht ihm Faceman am nächsten, denn auch dessen Spezialität ist es schließlich, Menschen zu täuschen, nur dass er dazu keine Verkleidung mehr braucht: Ihm reichen der ihm angeborene Charme und sein gutes Aussehen. Murdock schließlich nutzt seinen Wahnsinn, um seine Feinde zu verunsichern. Seine psychotischen Schübe kann er beinahe nach Belieben steuern. Und auch B.A. hat eine verborgene Seite: Aus dem beeindruckenden Kraftprotz wird ein unkontrolliert um sich schlagender Derwisch, sobald er in die Nähe eines Flugzeuges kommt – er leidet nämlich unter panischer Flugangst. Im Pilotfilm gibt sich das A-Team zudem als Filmcrew aus, um an das Equipment zu kommen, dass sie zur Erfüllung ihres Auftrages brauchen. Hier böten sich eigentlich schöne Ansätze zur Selbstironie, etwa wenn Facemans seine sehr kurzfristigen und ausgesprochen speziellen Wünsche auf plötzliche Drehbuchänderungen schiebt und seinen Lieferanten damit zur Verzweiflung treibt. Doch diese Einfälle werden wie so Vieles kaum weiter ausgearbeitet und wirken dadurch aufgesetzt. Dieser Mangel an Konsequenz lässt sich in nahezu allen Actionserien der Achtziger wiederfinden und ist auf die Konstruktion der Episoden zurückzuführen. Diese weisen kaum einmal über sich hinaus, was sie inhaltlich enorm limitiert. Wie in einer Sitcom gibt es keinerlei Kontinuität, sondern nur die ewige Wiederkehr des Gleichen. Das sollte sich erst mit MIAMI VICE ändern.

A: Und so sollte man die Serie als das sehen, was sie ist: ein hirnloser Spaß, der durch seine herzerfrischende Einfachheit jeden unterhalten kann, der bereit ist, all die genannten Kritikpunkte beiseite zu schieben. Das Konzept ist für die spätere Serie sowieso viel tragfähiger gewesen als für den Pilotfilm. Weiter geht’s mit AIRWOLF.