9/11 war gestern ...
Death Wish 3 – Der Rächer von New York (Death Wish 3)
USA 1985
Regie: Michael Winner, Drehbuch: Brian Garfield & Don Jakoby, Kamera: John Stanier, Schnitt: Michael Winner (als Arnold Crust), Musik: Jimmy Page, Darsteller: Charles Bronson (Paul Kersey), Deborah Raffin (Kathryn Davis), Ed Lauter (Richard S. Shriker), Martin Balsam (Bennett), Gavan O’Herlihy (Fraker), Kirk Tylor (Giggler), Alex Winter (Hermosa)
Synopsis: Paul Kersey kehrt zurück nach New York, um dort seinen alten Freund Charley zu besuchen. Doch dieser wird von marodierenden Bandenmitgliedern ermordet, bevor Kersey bei ihm eintrifft. Am Tatort wird Kersey von der Polizei als Tatverdächtiger verhaftet. Der Polizist Shriker, der dem Verbrechen machtlos gegenübersteht, erkennt Kersey als den Vigilanten von einst und gibt ihm den Auftrag, in New York ordentlich aufzuräumen.
FUNKHUNDD: DEATH WISH 3 ist ja eigentlich ein Film, der die Intention unseres Blogs völlig zunichte macht: mit diesem Film hat sich die Eighties-Action quasi selbst rechts überholt, weil hier alles soviel deutlicher gesagt wird, als es überhaupt denkbar ist. DEATH WISH 3 ist so etwas wie die Apotheose des Selbstjustiz- und reaktionären Actionfilms.
DER AUSSENSEITER: Bei den letzten fünf Sichtungen glaubte ich, dass die Luft raus sei, der Film könne mir nichts mehr bieten. Doch jetzt hatte ich das Gefühl, den Film wieder so sehen zu können wie ihn das Publikum von 1985 gesehen hatte: als ernsten Actionkrimi, der die Verhältnisse leicht überspitzt. Ich erinnere mich dunkel an eine zeitgenössische Kritik, die dem Film schon damals vorwarf, er kreiere ein apokalyptisches Endzeitszenario, aber funktioniere aufgrund der Übertreibungen nicht mal als social fiction. Anhand dessen erkennt man, dass sich überhaupt mit den Unglaublichkeiten der Geschichte auseinandergesetzt wurde.
FH: Als social fiction konnte man den ersten Teil der Serie ja durchaus sehen, weil sich Michael Winner noch die Mühe machte, das Thema der Selbstjustiz glaubwürdig zu etablieren, indem er den Wandel des friedlichen bürgerlichen Familienvaters Kersey hin zum Vigilanten nachvollziehbar machte. Der Schmerz, der ihm und seiner Familie zugefügt wird, wird auch für den Zuschauer fühlbar gemacht und somit auch der Wunsch nach Rache. In DEATH WISH 3 scheißt Winner einfach auf alles: Die Bösen gehören plattgemacht und man muss sich auch nicht mehr schämen oder schuldig fühlen, wenn man dem Gesetz auf die Sprünge hilft. Selbst die Polizei fungiert nicht mehr nur als Mitwisser, sondern als Auftraggeber!
A: Dennoch wurde der Film seinerzeit ernster rezipiert als dies heutzutage möglich wäre. Man glaubte einfach, der Big Apple bräuchte nur noch ein paar Jahre damit es dort so aussähe wie im Film geschildert. Bei heutiger Betrachtung kann man sich nur noch durch Gelächter vor dem Wahnsinn schützen, der einem geboten wird ...
FH: Das fängt schon mit Kersey an: Der wird nur noch als Rächer charakterisiert – was anderes kann er gar nicht –, dabei war er ja mal Architekt! Er hat wirklich einen ziemlichen Abstieg hinter sich, da überschneiden sich die Karrieren Kerseys und Bronsons. Kersey mischt sich unter dem Namen „Kimble“ in die Stadt, als „unschuldig Verfolgter“, um einen Freund zu besuchen, der pünktlich zu seiner Ankunft ermordet wird. Das soll wohl als ausreichende Motivation für den späteren Amoklauf fungieren, tatsächlich wäre das nicht nötig gewesen. Denn einmal festgenommen, lässt sich Kersey schneller zum Vigilanten-Comeback überzeugen als Rambo braucht, um sein Stirnband zu binden. Er taugt hier wirklich zu nichts anderem mehr als zum Töten.
A: Die Art und Weise wie Bronson seinen Kersey hier, ähhh…, na ja…, schauspielerisch anlegt, wirkt so als habe er versucht die Figur zu „terminatorisieren“. Wobei dies der Figur des Terminators unrecht tun würde, da diese wesentlich menschlicher und lebhafter erscheint als Paul Kersey. Die Szene, in der Kersey ein Messer in den Rücken bekommt und sich dies lapidar herauszieht, weil ihn die kugelsichere Weste unter seiner Jacke geschützt hat, hätte auch ohne die Weste funktioniert. Es hätte den Zuschauer nicht mehr verwundert, wenn Kersey solche Verletzungen einfach so wegsteckt. Überhaupt schien Bronson sich in dieser schwarzen Kunstlederjacke zu gefallen, da er die auch noch in diversen anderen Cannon-Produktionen dieser Zeit trägt.
FH: Kersey ist ein amoklaufender Spießer: Er weiß die Vorzüge deftiger Hausmannskost (gefülltes Kraut, Hühnerfrikassee, Gulasch) zu schätzen, kauft sich gern mal ein Eis im Laden an der Ecke und hat Respekt vor den guten, alten Werten. Das Töten ist für ihn ein Riesenspaß und er konstruiert Situationen, in denen er zur Waffe greifen kann. Die Szene, in der er sich einen Fotoapparat klauen lässt, nur um einen Grund zu haben, den Dieb von hinten zu erschießen, ist für mich der absolute Gipfel der Kaltschnäuzigkeit.
A: Lass uns mal ein Wörtchen über die anderen Figuren verlieren, da scheint Winner nämlich die übliche Klischeekiste nicht gereicht zu haben und deswegen hat er noch etwas tiefer reingegriffen.
FH: Allerdings, der Kontrast zwischen Bürgen und Bösen ist mehr als hart: Die Bösen haben wirklich nichts anders im Sinn als zu quälen, morden, rauben und triezen. Natürlich nehmen sie auch Drogen wie andere Leute Wasser trinken, um so richtig in Fahrt zu kommen. Das wirkt aber alles so albern: Die benehmen sich, als hätten sie sich als Kinder nie richtig austoben können. Ihre Motive bleiben völlig dunkel, sie sind einfach „böse“. Die „Opfer“ pflegen hingegen bürgerliche Traditionen und werden als grundgute einfache Leute gezeichnet. Dass Charley, Kerseys Freund, vollautomatische Feuerwaffen aus dem Krieg mit nach Hause gebracht und in einem Schrank aufbewahrt hat, erscheint jedenfalls niemandem als Problem. Der Krieg wird zum Abenteuer für echte Amerikaner verklärt, wer dort war, war ein guter Junge.
A: In der Sozialpsychologie würde man sagen, eine klassische In-Group-/Out-Group-Skizzierung. Man braucht eine funktionierende innere Gruppe, die Normalos, und hat die Bestien der Feindesgruppe, die man kalt machen muss. Doch bei all den Gräueltaten, die von Oberbösewicht Fraker und seinen Leuten begangen werden, bleibt der Film himmelschreiend naiv, da können noch so viele Frauen vergewaltigt, Omis mit durchtrennter Kehle oder abgewrackte Junkies gezeigt werden. Der Film wird nicht durch seine Bösewichter böse, sondern durch Kersey. Schließlich bricht er moralisch gesehen das Gesetz noch heftiger als die Anderen: Er weiß nämlich genau was er tut.
FH: Und er tötet nicht für Geld. Die Punks nehmen ja wenigstens alibimäßig hier und da mal einen Fernseher mit – was natürlich für den Amerikaner gleichbedeutend mit Mord ist ... Schön fand ich auch, dass Winner noch ein love interest einführt, nur damit Kersey NOCH ein Motiv hat, um zu killen, als die bösen Buben sie über die Klinge springen lassen. Ehrlich, Kersey ist vom Aggressionslevel her doch eh schon jenseits aller Messbarkeit, wozu das alles?
A: Zum einen wird hier natürlich der Genrekonvention gefolgt (siehe RAMBO II – DER AUFTRAG, wo Johnny erst dann wirklich böse wird, als Ko, die Frau in die er sich verliebt, getötet wird), zum anderen ist das ein bekanntes Motiv aus der Evolutionspsychologie. Der wirkliche Rachemotor kommt bei einem Mann erst dann in Gang, wenn die eigene Frau getötet wird. Selbst ein Kind wurde in den Tagen der Jäger und Sammler bereitwilliger aufgegeben als die eigene Frau. Sie konnte schließlich als Gebärmaschine weiter funktionieren. Der love interest in Form der Anwältin hätte Kersey ja sogar fast überzeugt einfach abzuhauen, das Viertel im Stich zu lassen. Dass aber ebendiese Schweine ihm sein Weibchen nehmen ist der endgültige Grund zum Vernichten des Gegners.
FH: Eine Beobachtung, die auch gleich zum Finale führt, in dem Kersey unterstützt von den aufgewiegelten Bürgern durch die Straßen zieht und alles niedermäht, was alberne Kleidung trägt. Das ist wirklich nicht mehr zu toppen. Wenn die „einfachen Leute“ Kersey zujubeln, wie er Strauchdieben, Schwerenötern und anderen Halunken den Garaus macht, nur um dann schließlich wie bei einem großen Volksfest mitzumachen, muss man schon ein paar Mal schlucken, wenn einem an der Demokratie etwas liegt.
A: … nicht zu vergessen der kleine farbige Junge, der ihm zujubelt und offensichtlich hinter einem Zaunpfahl wohnt. Die Volksfeststimmung bei den Erschießungen der Creeps hat mir endgültig das Gefühl gegeben, einen kranken Film zu sehen. Da kann kein Asia-Kino mithalten.
FH: Es ist als wollte Winner sagen: Beim ersten Mal wollte ich euch noch mit Argumenten überzeugen, jetzt will ich euch zeigen, dass es Spaß macht, zu morden! Es steckt ein gehöriges Maß an Verzweiflung und Resignation in DEATH WISH 3. Die Szenerie erinnert auch an einen düsteren Zukunftswestern: Der ganze Film spielt sich an einer staubigen Straßenkreuzung ab, an der die Bürger wie Ameisen flanieren, wenn sie nicht von den allgegenwärtigen Gangmitgliedern schikaniert werden, die sich mit ihrer Kriegsbemalung als moderne Indianer zu erkennen geben. Es herrscht totale Anarchie und man fragt sich, warum dort noch jemand wohnen will. In der Reduzierung auf eine Kreuzung hat der Film etwas sehr theaterhaftes. A world in a nutshell, sozusagen…
A: … und die scheint nur aus Gewalt zu bestehen. Die Bilder, die noch während des Abspanns weiterlaufen, zeigen ein völlig zerstörtes Belmont, NY, mit brennenden Häusern, ausgeschlachteten Autos und jeder Menge Leichen. Dieses Schlussbild könnte auch gut und gerne als Inbegriff einer biblischen Apokalypse gesehen werden, die über die Stadt hereingebrochen ist. Allerdings ist es die Apokalypse wie sie sich nur ein Anarcho-Spießer wie Michael Winner vorstellen kann. Die Spießigkeit des ganzen Filmes ist deshalb so eklatant, weil ohne sie die Geschichte nicht funktionieren würde. Die „braven“ Bürger des Films müssen in diesem Ghetto wohnen bleiben, weil sie hoffen, dass es doch ein Leben ohne Verbrecher geben kann. Gleichzeitig dienen sie den Bösewichtern als Melkkühe, die sie deshalb nicht alle schlachten dürfen. Trotz dieser übertrieben anarchistischen Untergangsvision schwebt über allem der Glaube, alles wieder in geregelte Bahnen überführen zu können.
FH: Was absurd ist: Wohin rennen die ganzen Punks denn am Schluss, als Fraker tot ist? Ins Kloster? Ausbildungsplätze suchen? Auffällig ist auch: Je mehr die Ausgangssituation überspitzt wird - das Viertel, das Kersey bezieht, gleicht einem Kriegsgebiet, es herrschen überhaupt keine Gesetze mehr – umso mehr wird die Gewalt bagatellisiert: Fieser Humor schleicht sich in das Geschehen ein, das Abknallen von Punks wird zum großen Spaß.
A: Als hätten sich ein paar Stammtischbrüder erhoben, die jetzt mal zeigen wollen wo’s lang geht.
FH: Und: Die Verhältnismäßigkeit ist überhaupt nicht mehr gegeben. Die „Auge um Auge“-Ideologie des Originals wird hier durch pure Mordlust ersetzt: Kersey schreitet mit immer größeren Kalibern zur Tat, der Wunsch nach angemessener Bestrafung ist längst der Lust am Massaker gewichen. Das kulminiert dann darin, dass der Oberböse Fraker am Ende mit einer Panzerfaust sprichwörtlich „vernichtet“ wird.
A: Das Böse, das er anderen angetan hat, kommt tausendfach auf ihn zurück. Es steht für mich völlig außer Frage: DEATH WISH III – DER RÄCHER VON NEW YORK ist, nicht zuletzt durch sein Scheitern, alle Widersprüche in Einklang zu bringen, ein Meisterwerk!
FH: Oh ja ...
USA 1985
Regie: Michael Winner, Drehbuch: Brian Garfield & Don Jakoby, Kamera: John Stanier, Schnitt: Michael Winner (als Arnold Crust), Musik: Jimmy Page, Darsteller: Charles Bronson (Paul Kersey), Deborah Raffin (Kathryn Davis), Ed Lauter (Richard S. Shriker), Martin Balsam (Bennett), Gavan O’Herlihy (Fraker), Kirk Tylor (Giggler), Alex Winter (Hermosa)
Synopsis: Paul Kersey kehrt zurück nach New York, um dort seinen alten Freund Charley zu besuchen. Doch dieser wird von marodierenden Bandenmitgliedern ermordet, bevor Kersey bei ihm eintrifft. Am Tatort wird Kersey von der Polizei als Tatverdächtiger verhaftet. Der Polizist Shriker, der dem Verbrechen machtlos gegenübersteht, erkennt Kersey als den Vigilanten von einst und gibt ihm den Auftrag, in New York ordentlich aufzuräumen.
FUNKHUNDD: DEATH WISH 3 ist ja eigentlich ein Film, der die Intention unseres Blogs völlig zunichte macht: mit diesem Film hat sich die Eighties-Action quasi selbst rechts überholt, weil hier alles soviel deutlicher gesagt wird, als es überhaupt denkbar ist. DEATH WISH 3 ist so etwas wie die Apotheose des Selbstjustiz- und reaktionären Actionfilms.
DER AUSSENSEITER: Bei den letzten fünf Sichtungen glaubte ich, dass die Luft raus sei, der Film könne mir nichts mehr bieten. Doch jetzt hatte ich das Gefühl, den Film wieder so sehen zu können wie ihn das Publikum von 1985 gesehen hatte: als ernsten Actionkrimi, der die Verhältnisse leicht überspitzt. Ich erinnere mich dunkel an eine zeitgenössische Kritik, die dem Film schon damals vorwarf, er kreiere ein apokalyptisches Endzeitszenario, aber funktioniere aufgrund der Übertreibungen nicht mal als social fiction. Anhand dessen erkennt man, dass sich überhaupt mit den Unglaublichkeiten der Geschichte auseinandergesetzt wurde.
FH: Als social fiction konnte man den ersten Teil der Serie ja durchaus sehen, weil sich Michael Winner noch die Mühe machte, das Thema der Selbstjustiz glaubwürdig zu etablieren, indem er den Wandel des friedlichen bürgerlichen Familienvaters Kersey hin zum Vigilanten nachvollziehbar machte. Der Schmerz, der ihm und seiner Familie zugefügt wird, wird auch für den Zuschauer fühlbar gemacht und somit auch der Wunsch nach Rache. In DEATH WISH 3 scheißt Winner einfach auf alles: Die Bösen gehören plattgemacht und man muss sich auch nicht mehr schämen oder schuldig fühlen, wenn man dem Gesetz auf die Sprünge hilft. Selbst die Polizei fungiert nicht mehr nur als Mitwisser, sondern als Auftraggeber!
A: Dennoch wurde der Film seinerzeit ernster rezipiert als dies heutzutage möglich wäre. Man glaubte einfach, der Big Apple bräuchte nur noch ein paar Jahre damit es dort so aussähe wie im Film geschildert. Bei heutiger Betrachtung kann man sich nur noch durch Gelächter vor dem Wahnsinn schützen, der einem geboten wird ...
FH: Das fängt schon mit Kersey an: Der wird nur noch als Rächer charakterisiert – was anderes kann er gar nicht –, dabei war er ja mal Architekt! Er hat wirklich einen ziemlichen Abstieg hinter sich, da überschneiden sich die Karrieren Kerseys und Bronsons. Kersey mischt sich unter dem Namen „Kimble“ in die Stadt, als „unschuldig Verfolgter“, um einen Freund zu besuchen, der pünktlich zu seiner Ankunft ermordet wird. Das soll wohl als ausreichende Motivation für den späteren Amoklauf fungieren, tatsächlich wäre das nicht nötig gewesen. Denn einmal festgenommen, lässt sich Kersey schneller zum Vigilanten-Comeback überzeugen als Rambo braucht, um sein Stirnband zu binden. Er taugt hier wirklich zu nichts anderem mehr als zum Töten.
A: Die Art und Weise wie Bronson seinen Kersey hier, ähhh…, na ja…, schauspielerisch anlegt, wirkt so als habe er versucht die Figur zu „terminatorisieren“. Wobei dies der Figur des Terminators unrecht tun würde, da diese wesentlich menschlicher und lebhafter erscheint als Paul Kersey. Die Szene, in der Kersey ein Messer in den Rücken bekommt und sich dies lapidar herauszieht, weil ihn die kugelsichere Weste unter seiner Jacke geschützt hat, hätte auch ohne die Weste funktioniert. Es hätte den Zuschauer nicht mehr verwundert, wenn Kersey solche Verletzungen einfach so wegsteckt. Überhaupt schien Bronson sich in dieser schwarzen Kunstlederjacke zu gefallen, da er die auch noch in diversen anderen Cannon-Produktionen dieser Zeit trägt.
FH: Kersey ist ein amoklaufender Spießer: Er weiß die Vorzüge deftiger Hausmannskost (gefülltes Kraut, Hühnerfrikassee, Gulasch) zu schätzen, kauft sich gern mal ein Eis im Laden an der Ecke und hat Respekt vor den guten, alten Werten. Das Töten ist für ihn ein Riesenspaß und er konstruiert Situationen, in denen er zur Waffe greifen kann. Die Szene, in der er sich einen Fotoapparat klauen lässt, nur um einen Grund zu haben, den Dieb von hinten zu erschießen, ist für mich der absolute Gipfel der Kaltschnäuzigkeit.
A: Lass uns mal ein Wörtchen über die anderen Figuren verlieren, da scheint Winner nämlich die übliche Klischeekiste nicht gereicht zu haben und deswegen hat er noch etwas tiefer reingegriffen.
FH: Allerdings, der Kontrast zwischen Bürgen und Bösen ist mehr als hart: Die Bösen haben wirklich nichts anders im Sinn als zu quälen, morden, rauben und triezen. Natürlich nehmen sie auch Drogen wie andere Leute Wasser trinken, um so richtig in Fahrt zu kommen. Das wirkt aber alles so albern: Die benehmen sich, als hätten sie sich als Kinder nie richtig austoben können. Ihre Motive bleiben völlig dunkel, sie sind einfach „böse“. Die „Opfer“ pflegen hingegen bürgerliche Traditionen und werden als grundgute einfache Leute gezeichnet. Dass Charley, Kerseys Freund, vollautomatische Feuerwaffen aus dem Krieg mit nach Hause gebracht und in einem Schrank aufbewahrt hat, erscheint jedenfalls niemandem als Problem. Der Krieg wird zum Abenteuer für echte Amerikaner verklärt, wer dort war, war ein guter Junge.
A: In der Sozialpsychologie würde man sagen, eine klassische In-Group-/Out-Group-Skizzierung. Man braucht eine funktionierende innere Gruppe, die Normalos, und hat die Bestien der Feindesgruppe, die man kalt machen muss. Doch bei all den Gräueltaten, die von Oberbösewicht Fraker und seinen Leuten begangen werden, bleibt der Film himmelschreiend naiv, da können noch so viele Frauen vergewaltigt, Omis mit durchtrennter Kehle oder abgewrackte Junkies gezeigt werden. Der Film wird nicht durch seine Bösewichter böse, sondern durch Kersey. Schließlich bricht er moralisch gesehen das Gesetz noch heftiger als die Anderen: Er weiß nämlich genau was er tut.
FH: Und er tötet nicht für Geld. Die Punks nehmen ja wenigstens alibimäßig hier und da mal einen Fernseher mit – was natürlich für den Amerikaner gleichbedeutend mit Mord ist ... Schön fand ich auch, dass Winner noch ein love interest einführt, nur damit Kersey NOCH ein Motiv hat, um zu killen, als die bösen Buben sie über die Klinge springen lassen. Ehrlich, Kersey ist vom Aggressionslevel her doch eh schon jenseits aller Messbarkeit, wozu das alles?
A: Zum einen wird hier natürlich der Genrekonvention gefolgt (siehe RAMBO II – DER AUFTRAG, wo Johnny erst dann wirklich böse wird, als Ko, die Frau in die er sich verliebt, getötet wird), zum anderen ist das ein bekanntes Motiv aus der Evolutionspsychologie. Der wirkliche Rachemotor kommt bei einem Mann erst dann in Gang, wenn die eigene Frau getötet wird. Selbst ein Kind wurde in den Tagen der Jäger und Sammler bereitwilliger aufgegeben als die eigene Frau. Sie konnte schließlich als Gebärmaschine weiter funktionieren. Der love interest in Form der Anwältin hätte Kersey ja sogar fast überzeugt einfach abzuhauen, das Viertel im Stich zu lassen. Dass aber ebendiese Schweine ihm sein Weibchen nehmen ist der endgültige Grund zum Vernichten des Gegners.
FH: Eine Beobachtung, die auch gleich zum Finale führt, in dem Kersey unterstützt von den aufgewiegelten Bürgern durch die Straßen zieht und alles niedermäht, was alberne Kleidung trägt. Das ist wirklich nicht mehr zu toppen. Wenn die „einfachen Leute“ Kersey zujubeln, wie er Strauchdieben, Schwerenötern und anderen Halunken den Garaus macht, nur um dann schließlich wie bei einem großen Volksfest mitzumachen, muss man schon ein paar Mal schlucken, wenn einem an der Demokratie etwas liegt.
A: … nicht zu vergessen der kleine farbige Junge, der ihm zujubelt und offensichtlich hinter einem Zaunpfahl wohnt. Die Volksfeststimmung bei den Erschießungen der Creeps hat mir endgültig das Gefühl gegeben, einen kranken Film zu sehen. Da kann kein Asia-Kino mithalten.
FH: Es ist als wollte Winner sagen: Beim ersten Mal wollte ich euch noch mit Argumenten überzeugen, jetzt will ich euch zeigen, dass es Spaß macht, zu morden! Es steckt ein gehöriges Maß an Verzweiflung und Resignation in DEATH WISH 3. Die Szenerie erinnert auch an einen düsteren Zukunftswestern: Der ganze Film spielt sich an einer staubigen Straßenkreuzung ab, an der die Bürger wie Ameisen flanieren, wenn sie nicht von den allgegenwärtigen Gangmitgliedern schikaniert werden, die sich mit ihrer Kriegsbemalung als moderne Indianer zu erkennen geben. Es herrscht totale Anarchie und man fragt sich, warum dort noch jemand wohnen will. In der Reduzierung auf eine Kreuzung hat der Film etwas sehr theaterhaftes. A world in a nutshell, sozusagen…
A: … und die scheint nur aus Gewalt zu bestehen. Die Bilder, die noch während des Abspanns weiterlaufen, zeigen ein völlig zerstörtes Belmont, NY, mit brennenden Häusern, ausgeschlachteten Autos und jeder Menge Leichen. Dieses Schlussbild könnte auch gut und gerne als Inbegriff einer biblischen Apokalypse gesehen werden, die über die Stadt hereingebrochen ist. Allerdings ist es die Apokalypse wie sie sich nur ein Anarcho-Spießer wie Michael Winner vorstellen kann. Die Spießigkeit des ganzen Filmes ist deshalb so eklatant, weil ohne sie die Geschichte nicht funktionieren würde. Die „braven“ Bürger des Films müssen in diesem Ghetto wohnen bleiben, weil sie hoffen, dass es doch ein Leben ohne Verbrecher geben kann. Gleichzeitig dienen sie den Bösewichtern als Melkkühe, die sie deshalb nicht alle schlachten dürfen. Trotz dieser übertrieben anarchistischen Untergangsvision schwebt über allem der Glaube, alles wieder in geregelte Bahnen überführen zu können.
FH: Was absurd ist: Wohin rennen die ganzen Punks denn am Schluss, als Fraker tot ist? Ins Kloster? Ausbildungsplätze suchen? Auffällig ist auch: Je mehr die Ausgangssituation überspitzt wird - das Viertel, das Kersey bezieht, gleicht einem Kriegsgebiet, es herrschen überhaupt keine Gesetze mehr – umso mehr wird die Gewalt bagatellisiert: Fieser Humor schleicht sich in das Geschehen ein, das Abknallen von Punks wird zum großen Spaß.
A: Als hätten sich ein paar Stammtischbrüder erhoben, die jetzt mal zeigen wollen wo’s lang geht.
FH: Und: Die Verhältnismäßigkeit ist überhaupt nicht mehr gegeben. Die „Auge um Auge“-Ideologie des Originals wird hier durch pure Mordlust ersetzt: Kersey schreitet mit immer größeren Kalibern zur Tat, der Wunsch nach angemessener Bestrafung ist längst der Lust am Massaker gewichen. Das kulminiert dann darin, dass der Oberböse Fraker am Ende mit einer Panzerfaust sprichwörtlich „vernichtet“ wird.
A: Das Böse, das er anderen angetan hat, kommt tausendfach auf ihn zurück. Es steht für mich völlig außer Frage: DEATH WISH III – DER RÄCHER VON NEW YORK ist, nicht zuletzt durch sein Scheitern, alle Widersprüche in Einklang zu bringen, ein Meisterwerk!
FH: Oh ja ...
2 Comments:
Tach zusammen...
ganz große Arbeit, die ihr hier macht! Diese Dialoggeschichte ist schweinecool und Eure Sprüche nich schlecht.
Vielleicht ein wenig Anregung bzw. Filme, die ich gerne von Euch kommentiert hätte? Gern!
Missing in Action 2 ---> Kult aus meiner Jugend
REMO - Unbewaffnet und gefährlich ---> passt der überhaupt hier rein? Ein weiterer Kult!
Ich wünsch Euch was, macht weiter so, Daumen hoch...
Aloha Chrisse,
MIA 2 ist schon in Planung, REMO sicherlich eine Überlegung wert.
Mal sehen ...
Kommentar veröffentlichen
<< Home