X-Terminator
Exterminator 2 (Exterminator 2)
Regie: Mark Buntzman, Drehbuch: Mark Buntzman, William Sachs, Kamera: Robert M. Baldwin, Joseph Mangine, Musik: David Spear, Schnitt: Marcus Manton, George T. Norris
Darsteller: Robert Ginty (John Eastland), Mario van Peebles (X), Deborah Geffner (Caroline), Frankie Faison (Be Gee), Scott Randolf (Eyes)
Synopsis: Nachdem einige Jahre vergangen sind, ist John Eastland inzwischen einer von vielen Arbeitslosen, die durch New York laufen und keine Perspektive im Leben haben. Ab und an schnappt er sich seinen Flammenwerfer und fackelt ein paar Straßengangster ab, doch ein wirklicher Lichtblick ergibt sich erst durch die Nachtclubtänzerin Caroline. Mit ihr geht er eine leidenschaftliche Beziehung ein, doch damit hat er einen Schwachpunkt, den der psychopathische Gangleader X gnadenlos ausnutzt.
DER AUSSENSEITER: Regisseur Mark Buntzman gestaltet EXTERMINATOR II so wie die Mehrheit bereits den ersten Teil rezipiert hat. Die Rechte um den eiskalten Selbstjustizler waren inzwischen in die Hand der Cannon Group gewandert und dementsprechend sieht der Film aus, denn anstatt einer unkonventionellen Inszenierung oder brechender Figurenklischees ist der zweite Teil ein inhaltlich wie formal absolut stereotyp verlaufender Actionkracher, der sich zum einen durch seine brachiale Härte vom üblichen Einerlei abhebt, zum anderen durch seine extremen Verkürzungen, mit denen die Geschichte präsentiert wird. Im Grunde erhält man mit diesem Film genau das, was man von einem derartigen 85 Minuten langem Reißer erwarten kann und eben das befremdet schon wieder, da es einfach zu direkt und kompromisslos daherkommt.
FUNKHUNDD: Wir haben schon im Zusammenhang mit mehreren Filmen von „Auslassungen“ gesprochen. Der Ausdruck suggeriert ja, dass etwas abwesend ist, etwas fehlt, was einmal da war und dann weggelassen wurde. Doch bei EXTERMINATOR II liegt der Fall anders: Es gibt keinen Platz für dieses Ausgelassene, keine Leerstellen, die zu füllen wären. Buntzman erzählt seine Geschichte so, als würde alles gesagt werden. Dabei erschöpft sich schon die Verbindung der Exterminator-Figur zum Erstling eigentlich in ihrem Darsteller, dem Vornamen „John“ und seiner Armeejacke: Nichts deutet auf dessen finstere Vergangenheit hin, von der Glickenhaus im ersten Teil erzählt hat. Und so ist auch die psychische Disposition dieses Johns kein Thema mehr: Diesem Exterminator geht es darum, wie ein Sheriff für Recht und Ordnung zu sorgen und schließlich persönliche Rache zu üben.
A: Da kann ich Dir nur zum Teil zustimmen. Der Mythos des Sheriffs hat in der Semiotik des Westerns eher die Attribute eines aufrechten für das Recht und Ordnung kämpfenden Hüters. Dies kann bei John Eastland in seinen abgewetzten Armeeklamotten, seiner Schweißermaske und seinem Flammenwerfer – alles Elemente, die ihn wie einen maschinellen Endzeitkrieger aussehen lassen – weniger attestiert werden. Die psychologische Disposition der Hauptfigur, welche uns im ersten Teil präsentiert wird, ist in ein narrativ konventionelles Gerüst inkludiert und muss sich den Gesetzmäßigkeiten einer Dramaturgie unterordnen, die darum bemüht ist, die Figur möglichst sympathisch zu gestalten. Dadurch geht die bedrückende Stimmung aus dem Vorgänger natürlich verloren, aber sie muss implizit mitschwingen. Schließlich hockt dieser Mann, der arbeitslos und völlig pleite ist, Nachts in seiner kleinen Bude, hört den Polizeifunk ab und wenn er der Meinung ist etwas tun zu können, geht er mit dieser martialischen Waffe los und verbrennt Menschen bei lebendigem Leibe auf den Straßen von New York. Das hat nur wenig von dem Bild eines aufrechten Helden, der das Gesetz schützen möchte. Die Cops kommen dann auch in allen vom Film dargestellten kriminellen Fällen zu spät.
FH: Jetzt hast du dich sehr an einem von mir zugegebenermaßen sehr achtlos hingeworfenen Begriff aufgehangen: Ja, du hast Recht. Ich wollte mit meinem Verweis auf den Sheriff aber lediglich betonen, dass es in EXTERMINATOR II stärker als im ersten Teil um Selbstjustiz geht. Bei Glickenhaus spiegelte sich in den Taten Eastlands ja vor allem seine ungezügelte Wut und seine seelische Pein und weniger eine gesellschaftspolitische Motivation. Ein Held ist John in Buntzmans Film nicht, das stimmt, dafür sind seine Taten viel zu krass, sein Auftritt weit mehr noch als im Vorgänger durch seine Markenzeichen, Schweißermaske und Flammenwerfer, zum Slasherauftritt stilisiert. EXTERMINATOR II nimmt deshalb in meinen Augen oftmals den Ton eines Warnstückes an. Gerade die Auftaktszene, in der John mit seinem Flammenwerfer den Zuschauer versengt, lässt sich als Warnung im Sinne eines „Wenn du dich nicht benimmst, holt dich der Exterminator!“ lesen. So jubelt man dem „Helden“ bei seiner Jagd auf die Punks um X auch nicht zu, sondern begibt sich eher in staunende Distanz zu seinen Bluttaten.
A: Oh ja, da sagst Du was. Die Selbstjustizbotschaft war diesmal sogar für mich drüber, was den Genuss der Rezeption in keinem Maße gestört hat. Man muss allerdings auch von der ersten Sekunde an dabei sein, da die Ellipsen, die brutale Schnoddrigkeit und die No-Compromise-Action so zügig montiert sind, dass man schnell den Anschluss verpassen kann. Die Krassheit des Filmes entsteht somit, anders als im ersten Teil, auch eher dadurch, dass er ein gewöhnlicher Actionkrimi mit Superhärte ist. Diesen warnenden Charakter, den Du erwähntest, kombiniert der Film mit den typischen Ingredienzien des damals populären Endzeitfilms, wenn sich der Mob der Straße erheben will, um sein neues System von Anarchie und Destruktion zu erschaffen. Die Gang um X, verkörpert von Melvin van Peebles’ Sohn Mario, organisiert sich in einer Art New-Order-Gruppe mit leichtem Sekteneinschlag und archaischem Grundton. Dem Sozialdarwinismus geschuldet wollen sie das Recht des Unterdrückten, aber in Wahrheit Stärkeren, durchsetzen und beginnen erstmal mit einem Überfall auf einen Geldtransport, um sich damit bei der Mafia einzukaufen.
FH: Bei der Zeichnung der Gang muss man aus heutiger Sicht ein bisschen aufpassen, nicht auf den eigenen Rezeptionshorizont hereinzufallen und dies dem Film anzulasten. EXTERMINATOR II ist optisch ein absolutes Zeitgeist-Produkt der Achtziger. Der aus heutiger Sicht äußerst extravagante Look von X und seinen Jungs – Stirnbänder, Ledergeschirre und Schulterpolster überall – verleitet dazu, Überzeichnung zu vermuten, zumal man dem Gangleader noch ein äußerst markiges Auftreten und immer gut geölte und ebenso ausgeleuchtete Brustmuskeln spendiert hat. Auch die ausgedehnte Breakdance-Szene verortet diesen Film fest in seiner Zeit, was ihn schon fast zum Period Piece macht; vielleicht wollte die Cannon aber auch Werbung für ihren BREAKIN’ machen, der etwa zur selben Zeit den Weg ins Kino fand. Behält man im Hinterkopf, dass EXTERMINATOR II den modischen Status Quo seiner Zeit repräsentiert, bleibt nicht mehr allzu viel zu lachen übrig, weil der Film, wie du schon sagtest, wirklich besonders kaltschnäuzig in seinen Gewaltdarstellungen ist, die kaum noch dramatisch unterfüttert werden. Vor allem die Wahl des Flammenwerfers als des Exterminators bevorzugter Waffe erscheint mir dabei beachtlich und markiert einen Wandel gegenüber Glickenhaus’ Vorgänger: Bediente sich Eastland mit seinen präparierten Schusswaffen dort noch der patriarchalischen, autoritären und phallischen Macht der Penetration, schwingt er sich im Sequel förmlich zum Vollstreckungsgehilfen des biblischen „Asche zu Asche“ auf, was seinen übermenschlichen Charakter noch unterstreicht und dem Film eine enorme Power verleiht.
A: Genial auf den Punkt gebracht! Diese Übermenschlichkeit wird dann auch gleich zu Beginn beim ersten Auftritt des Exterminators deutlich, wenn er die „X-Gang“ bei einem Schnapsladenüberfall überrascht und diese aus allen Rohren auf ihn feuern. Er trägt eine kugelsichere Weste sowie eine Schweißermaske aus Stahl und scheint unverwundbar. Wir sehen, wie er am Operkörper von Kugeln getroffen wird, doch er bleibt stehen und lässt eine gigantische Feuersbrunst auf Gangster und Zuschauer los, in Zeitlupe eingefangen, mit sakralen Orgelklängen aus dem Synthesizer unterlegt. Dies erfolgt bei wirklich allen Verbrennungen, was den Eindruck eines biblischen Reiters der Apokalypse erzeugt, der mit dem Element der Zerstörung die Erde von allem Unrat reinigen möchte. Dementsprechend wird dann New York auch als zweites Babylon gezeichnet. Die Kamera bleibt immer auf der Straße, sodass wir wirklich ein „New York von unten“ präsentiert bekommen, doch die hohen Gebäude der Finanzmetropole immer im Hintergrund. Wir befinden uns mitten in der Stadt, doch kommen wir aus dem Moloch der Ghettostraßen genauso wenig raus wie John Eastland, seine Freundin Caroline, die von einer Karriere als Tänzerin träumt, Johns Kumpel Be Gee oder eben die „X-Gang“, der Sud der Straße, der eine Invertierung der Verhältnisse durch Gewalt erzwingen möchte. Die hohen Gebäude New Yorks, die Macht und Wohlstand widerspiegeln, sind unerreichbar. Entsprechend äußert sich Caroline, die sich ihre Brötchen in einem Hinterhof-Nachtclub verdienen muss und den Broadway als unendlich weit weg empfindet. Johns Witzelei, der Broadway sei doch nur ein paar Straßen weiter, lässt sie dem Ziel aber nicht näher kommen. Jede Figur versucht ihre Situation auf die eine oder andere Art zu kompensieren: Be Gee als Müllmann, der die Straße kennt, Caroline und X, der sich mit dem Überleben auf der Straße so weit identifiziert, dass er sich selbst als „die Straße“ bezeichnet. „Ich bin die Straße!“, ist dann auch seine Tagline.
FH: X’ Zeichnung als Revoluzzer und Agitator ist hier stark an den Charakter des Cyrus’ aus Walter Hills DIE WARRIORS angelehnt. In einer Szene, die trotz ihrer deutlich sparsameren Ausgestaltung an Cyrus’ Ansprache vor den versammelten New Yorker Gangs zu Beginn von Hills Film erinnert, beschwört X den Geist der Straße, mahnt seine „Brüder“ zum unbedingten Zusammenhalt und verspricht ihnen, dass ihr Kampf gegen das Establishment belohnt werde. Diese Einschwörung wird von seinen Untergebenen beipflichtend kommentiert, was unweigerlich Assoziationen an einen Gospel-Gottesdienst aufkeimen lässt. X – der sich ja schon im Namen als Krypto-Christ präsentiert – ist ein Priester der Straße, ein Gesandter, der dem Pöbel den Platz an der Sonne zuweisen soll. Sein Ziel ist es, über seine Unterdrücker zu richten und das zurückzuerlangen, was rechtmäßig ihm zusteht. Da wir uns in den Achtzigerjahren befinden, in denen der kalte Krieg noch einmal richtig heiß wurde, mag man auch an Lenins Spruch „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ denken, der wohl nirgendwo solche Albtäume und Ängste entfachen konnte wie in den USA. Tatsache ist aber, dass Buntzman sich sehr konsequent in christlicher Symbolik ergeht: Mit der Ausnahme, dass der Jesus seines Filmes auf der Seite des Bösen zu verorten ist und selbst Kreuzigungen vornimmt, indem er arglose Geldtransporterfahrer in U-Bahn-Schächten auf den Schienen festbindet.
A: Überhaupt transportiert der Film die meistens in Actionfilmen implizit vorhandene Botschaft des Alten Testaments. Gleiches wird mit Gleichem vergolten. Der Jesus dieses Filmes ist nur ein für eigene Wünsche kämpfender Zionist, der mit dem flammenden Schwert das Recht – sein Recht – durchsetzen will. Entsprechend tritt ihm der Exterminator mit seiner Feuerkraft entgegen. Das biblische Ausmaß wird dann im Finale nochmals gesteigert, wenn der Exterminator in einer Lagerhalle zum Endkampf antritt und diese in eine Apokalypse verwandelt. Als nur noch er und X übrig sind, steigert sich die Kirchenorgel des Synthies ins Extreme und X fordert Rache für seinen getöteten Bruder. Die Gier nach seinem Heroin, mit dem er die Straßen überfluten möchte, wird schließlich sein Schicksal besiegeln.
FH: Damit geht ein denkwürdiger Film zu Ende, der so wirklich nur in den Achtzigern entstehen konnte. Die knüppelharte Action, gepaart mit dem bis auf die blanke Folie heruntergekürzten Plot, dem Schmuddellook und dem angesprochenen, nicht zu übersehenden Symbolismus ergeben in Verbindung mit der recht einfältigen, um nicht zu sagen unbeholfenen Regie Buntzmans (einige Szenen mussten von William Sachs nachgedreht werden) eine einzigartige und äußerst merkwürdige Mischung, die so sicher niemals geplant war. Man merkt an allen Ecken und Enden, dass die Macher wohl nicht mehr als einen affirmativen Popcorn-Film im Sinn hatten – ein Plan, der zum Glück gründlich in die Hose gegangen ist, denn erst das macht den Film richtig interessant. Selten bekommt man ein Spektrum geboten, das von fies anzuschauenden Verbrennungen über die schon erwähnten Breakdance-Einlagen und dystopische Elemente bis hin zu den an DAS A-TEAM oder auch an McGYVER erinnernden Basteleien des Exterminators am Müllwagen seines toten Freundes, mit dem er sich anschickt den menschlichen Müll von der Straße aufzusammeln. Für Buntzman war dieser Film sowohl Auftakt als auch Ende seiner Regisseurlaufbahn. Immerhin erwuchs für ihn aus diesem Film eine produktive Freundschaft mit Mario van Peebles, mit dem zusammen er in verschiedenen Funktionen vier weitere Filme (POSSE, PANTHER, LOVE KILLS, STANDING KNOCKDOWN) machen sollte.
A: Tja, ein Popcorn-Film zu dieser Zeit konnte manchmal etwas anders aussehen als heutzutage. Man denke nur mal an MAD MAX II – DER VOLLSTRECKER. Aber ich kann Dir nur in allem zustimmen. So einen Unterhaltungsfilm, der im damaligen Kinojahr in Deutschland sogar Brian de Palmas SCARFACE hinter sich ließ, konnte man wirklich nur in den 80er Jahren drehen. Der Symbolismus zum Ende ist schon frappierend. Der Exterminator ist ab Beginn des Showdowns endgültig hinter seiner ihn zur Maschine degradierenden Schweißermaske verschwunden, seiner Menschlichkeit beraubt. Kurz bevor das Inferno startet, sehen wir noch einmal sein Augenpaar, aber dann wird bis zum Schluss inklusive nie wieder das Gesicht Eastlands gezeigt. Nachdem X tot ist, kommt die Entledigung seiner Insignien des Todes, dem Abstreifen der alten Identität gleich und ähnlich wie Truman Burbank (DIE TRUMAN SHOW), marschiert er in eine neue Zukunft, ohne das wir noch einmal einen Blick auf sein ihm Menschlichkeit verleihendes Gesicht werfen können. Als vorwärts humpelnde Gestalt – im Hintergrund die langsam anschwellenden Polizeisirenen – begibt er sich in das buchstäbliche Licht am Ende des Tunnels. Was dort auf ihn wartet, bleibt ungewiss.
Wir danken dem Cinefactler TRAXX, ohne den dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre.
Regie: Mark Buntzman, Drehbuch: Mark Buntzman, William Sachs, Kamera: Robert M. Baldwin, Joseph Mangine, Musik: David Spear, Schnitt: Marcus Manton, George T. Norris
Darsteller: Robert Ginty (John Eastland), Mario van Peebles (X), Deborah Geffner (Caroline), Frankie Faison (Be Gee), Scott Randolf (Eyes)
Synopsis: Nachdem einige Jahre vergangen sind, ist John Eastland inzwischen einer von vielen Arbeitslosen, die durch New York laufen und keine Perspektive im Leben haben. Ab und an schnappt er sich seinen Flammenwerfer und fackelt ein paar Straßengangster ab, doch ein wirklicher Lichtblick ergibt sich erst durch die Nachtclubtänzerin Caroline. Mit ihr geht er eine leidenschaftliche Beziehung ein, doch damit hat er einen Schwachpunkt, den der psychopathische Gangleader X gnadenlos ausnutzt.
DER AUSSENSEITER: Regisseur Mark Buntzman gestaltet EXTERMINATOR II so wie die Mehrheit bereits den ersten Teil rezipiert hat. Die Rechte um den eiskalten Selbstjustizler waren inzwischen in die Hand der Cannon Group gewandert und dementsprechend sieht der Film aus, denn anstatt einer unkonventionellen Inszenierung oder brechender Figurenklischees ist der zweite Teil ein inhaltlich wie formal absolut stereotyp verlaufender Actionkracher, der sich zum einen durch seine brachiale Härte vom üblichen Einerlei abhebt, zum anderen durch seine extremen Verkürzungen, mit denen die Geschichte präsentiert wird. Im Grunde erhält man mit diesem Film genau das, was man von einem derartigen 85 Minuten langem Reißer erwarten kann und eben das befremdet schon wieder, da es einfach zu direkt und kompromisslos daherkommt.
FUNKHUNDD: Wir haben schon im Zusammenhang mit mehreren Filmen von „Auslassungen“ gesprochen. Der Ausdruck suggeriert ja, dass etwas abwesend ist, etwas fehlt, was einmal da war und dann weggelassen wurde. Doch bei EXTERMINATOR II liegt der Fall anders: Es gibt keinen Platz für dieses Ausgelassene, keine Leerstellen, die zu füllen wären. Buntzman erzählt seine Geschichte so, als würde alles gesagt werden. Dabei erschöpft sich schon die Verbindung der Exterminator-Figur zum Erstling eigentlich in ihrem Darsteller, dem Vornamen „John“ und seiner Armeejacke: Nichts deutet auf dessen finstere Vergangenheit hin, von der Glickenhaus im ersten Teil erzählt hat. Und so ist auch die psychische Disposition dieses Johns kein Thema mehr: Diesem Exterminator geht es darum, wie ein Sheriff für Recht und Ordnung zu sorgen und schließlich persönliche Rache zu üben.
A: Da kann ich Dir nur zum Teil zustimmen. Der Mythos des Sheriffs hat in der Semiotik des Westerns eher die Attribute eines aufrechten für das Recht und Ordnung kämpfenden Hüters. Dies kann bei John Eastland in seinen abgewetzten Armeeklamotten, seiner Schweißermaske und seinem Flammenwerfer – alles Elemente, die ihn wie einen maschinellen Endzeitkrieger aussehen lassen – weniger attestiert werden. Die psychologische Disposition der Hauptfigur, welche uns im ersten Teil präsentiert wird, ist in ein narrativ konventionelles Gerüst inkludiert und muss sich den Gesetzmäßigkeiten einer Dramaturgie unterordnen, die darum bemüht ist, die Figur möglichst sympathisch zu gestalten. Dadurch geht die bedrückende Stimmung aus dem Vorgänger natürlich verloren, aber sie muss implizit mitschwingen. Schließlich hockt dieser Mann, der arbeitslos und völlig pleite ist, Nachts in seiner kleinen Bude, hört den Polizeifunk ab und wenn er der Meinung ist etwas tun zu können, geht er mit dieser martialischen Waffe los und verbrennt Menschen bei lebendigem Leibe auf den Straßen von New York. Das hat nur wenig von dem Bild eines aufrechten Helden, der das Gesetz schützen möchte. Die Cops kommen dann auch in allen vom Film dargestellten kriminellen Fällen zu spät.
FH: Jetzt hast du dich sehr an einem von mir zugegebenermaßen sehr achtlos hingeworfenen Begriff aufgehangen: Ja, du hast Recht. Ich wollte mit meinem Verweis auf den Sheriff aber lediglich betonen, dass es in EXTERMINATOR II stärker als im ersten Teil um Selbstjustiz geht. Bei Glickenhaus spiegelte sich in den Taten Eastlands ja vor allem seine ungezügelte Wut und seine seelische Pein und weniger eine gesellschaftspolitische Motivation. Ein Held ist John in Buntzmans Film nicht, das stimmt, dafür sind seine Taten viel zu krass, sein Auftritt weit mehr noch als im Vorgänger durch seine Markenzeichen, Schweißermaske und Flammenwerfer, zum Slasherauftritt stilisiert. EXTERMINATOR II nimmt deshalb in meinen Augen oftmals den Ton eines Warnstückes an. Gerade die Auftaktszene, in der John mit seinem Flammenwerfer den Zuschauer versengt, lässt sich als Warnung im Sinne eines „Wenn du dich nicht benimmst, holt dich der Exterminator!“ lesen. So jubelt man dem „Helden“ bei seiner Jagd auf die Punks um X auch nicht zu, sondern begibt sich eher in staunende Distanz zu seinen Bluttaten.
A: Oh ja, da sagst Du was. Die Selbstjustizbotschaft war diesmal sogar für mich drüber, was den Genuss der Rezeption in keinem Maße gestört hat. Man muss allerdings auch von der ersten Sekunde an dabei sein, da die Ellipsen, die brutale Schnoddrigkeit und die No-Compromise-Action so zügig montiert sind, dass man schnell den Anschluss verpassen kann. Die Krassheit des Filmes entsteht somit, anders als im ersten Teil, auch eher dadurch, dass er ein gewöhnlicher Actionkrimi mit Superhärte ist. Diesen warnenden Charakter, den Du erwähntest, kombiniert der Film mit den typischen Ingredienzien des damals populären Endzeitfilms, wenn sich der Mob der Straße erheben will, um sein neues System von Anarchie und Destruktion zu erschaffen. Die Gang um X, verkörpert von Melvin van Peebles’ Sohn Mario, organisiert sich in einer Art New-Order-Gruppe mit leichtem Sekteneinschlag und archaischem Grundton. Dem Sozialdarwinismus geschuldet wollen sie das Recht des Unterdrückten, aber in Wahrheit Stärkeren, durchsetzen und beginnen erstmal mit einem Überfall auf einen Geldtransport, um sich damit bei der Mafia einzukaufen.
FH: Bei der Zeichnung der Gang muss man aus heutiger Sicht ein bisschen aufpassen, nicht auf den eigenen Rezeptionshorizont hereinzufallen und dies dem Film anzulasten. EXTERMINATOR II ist optisch ein absolutes Zeitgeist-Produkt der Achtziger. Der aus heutiger Sicht äußerst extravagante Look von X und seinen Jungs – Stirnbänder, Ledergeschirre und Schulterpolster überall – verleitet dazu, Überzeichnung zu vermuten, zumal man dem Gangleader noch ein äußerst markiges Auftreten und immer gut geölte und ebenso ausgeleuchtete Brustmuskeln spendiert hat. Auch die ausgedehnte Breakdance-Szene verortet diesen Film fest in seiner Zeit, was ihn schon fast zum Period Piece macht; vielleicht wollte die Cannon aber auch Werbung für ihren BREAKIN’ machen, der etwa zur selben Zeit den Weg ins Kino fand. Behält man im Hinterkopf, dass EXTERMINATOR II den modischen Status Quo seiner Zeit repräsentiert, bleibt nicht mehr allzu viel zu lachen übrig, weil der Film, wie du schon sagtest, wirklich besonders kaltschnäuzig in seinen Gewaltdarstellungen ist, die kaum noch dramatisch unterfüttert werden. Vor allem die Wahl des Flammenwerfers als des Exterminators bevorzugter Waffe erscheint mir dabei beachtlich und markiert einen Wandel gegenüber Glickenhaus’ Vorgänger: Bediente sich Eastland mit seinen präparierten Schusswaffen dort noch der patriarchalischen, autoritären und phallischen Macht der Penetration, schwingt er sich im Sequel förmlich zum Vollstreckungsgehilfen des biblischen „Asche zu Asche“ auf, was seinen übermenschlichen Charakter noch unterstreicht und dem Film eine enorme Power verleiht.
A: Genial auf den Punkt gebracht! Diese Übermenschlichkeit wird dann auch gleich zu Beginn beim ersten Auftritt des Exterminators deutlich, wenn er die „X-Gang“ bei einem Schnapsladenüberfall überrascht und diese aus allen Rohren auf ihn feuern. Er trägt eine kugelsichere Weste sowie eine Schweißermaske aus Stahl und scheint unverwundbar. Wir sehen, wie er am Operkörper von Kugeln getroffen wird, doch er bleibt stehen und lässt eine gigantische Feuersbrunst auf Gangster und Zuschauer los, in Zeitlupe eingefangen, mit sakralen Orgelklängen aus dem Synthesizer unterlegt. Dies erfolgt bei wirklich allen Verbrennungen, was den Eindruck eines biblischen Reiters der Apokalypse erzeugt, der mit dem Element der Zerstörung die Erde von allem Unrat reinigen möchte. Dementsprechend wird dann New York auch als zweites Babylon gezeichnet. Die Kamera bleibt immer auf der Straße, sodass wir wirklich ein „New York von unten“ präsentiert bekommen, doch die hohen Gebäude der Finanzmetropole immer im Hintergrund. Wir befinden uns mitten in der Stadt, doch kommen wir aus dem Moloch der Ghettostraßen genauso wenig raus wie John Eastland, seine Freundin Caroline, die von einer Karriere als Tänzerin träumt, Johns Kumpel Be Gee oder eben die „X-Gang“, der Sud der Straße, der eine Invertierung der Verhältnisse durch Gewalt erzwingen möchte. Die hohen Gebäude New Yorks, die Macht und Wohlstand widerspiegeln, sind unerreichbar. Entsprechend äußert sich Caroline, die sich ihre Brötchen in einem Hinterhof-Nachtclub verdienen muss und den Broadway als unendlich weit weg empfindet. Johns Witzelei, der Broadway sei doch nur ein paar Straßen weiter, lässt sie dem Ziel aber nicht näher kommen. Jede Figur versucht ihre Situation auf die eine oder andere Art zu kompensieren: Be Gee als Müllmann, der die Straße kennt, Caroline und X, der sich mit dem Überleben auf der Straße so weit identifiziert, dass er sich selbst als „die Straße“ bezeichnet. „Ich bin die Straße!“, ist dann auch seine Tagline.
FH: X’ Zeichnung als Revoluzzer und Agitator ist hier stark an den Charakter des Cyrus’ aus Walter Hills DIE WARRIORS angelehnt. In einer Szene, die trotz ihrer deutlich sparsameren Ausgestaltung an Cyrus’ Ansprache vor den versammelten New Yorker Gangs zu Beginn von Hills Film erinnert, beschwört X den Geist der Straße, mahnt seine „Brüder“ zum unbedingten Zusammenhalt und verspricht ihnen, dass ihr Kampf gegen das Establishment belohnt werde. Diese Einschwörung wird von seinen Untergebenen beipflichtend kommentiert, was unweigerlich Assoziationen an einen Gospel-Gottesdienst aufkeimen lässt. X – der sich ja schon im Namen als Krypto-Christ präsentiert – ist ein Priester der Straße, ein Gesandter, der dem Pöbel den Platz an der Sonne zuweisen soll. Sein Ziel ist es, über seine Unterdrücker zu richten und das zurückzuerlangen, was rechtmäßig ihm zusteht. Da wir uns in den Achtzigerjahren befinden, in denen der kalte Krieg noch einmal richtig heiß wurde, mag man auch an Lenins Spruch „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ denken, der wohl nirgendwo solche Albtäume und Ängste entfachen konnte wie in den USA. Tatsache ist aber, dass Buntzman sich sehr konsequent in christlicher Symbolik ergeht: Mit der Ausnahme, dass der Jesus seines Filmes auf der Seite des Bösen zu verorten ist und selbst Kreuzigungen vornimmt, indem er arglose Geldtransporterfahrer in U-Bahn-Schächten auf den Schienen festbindet.
A: Überhaupt transportiert der Film die meistens in Actionfilmen implizit vorhandene Botschaft des Alten Testaments. Gleiches wird mit Gleichem vergolten. Der Jesus dieses Filmes ist nur ein für eigene Wünsche kämpfender Zionist, der mit dem flammenden Schwert das Recht – sein Recht – durchsetzen will. Entsprechend tritt ihm der Exterminator mit seiner Feuerkraft entgegen. Das biblische Ausmaß wird dann im Finale nochmals gesteigert, wenn der Exterminator in einer Lagerhalle zum Endkampf antritt und diese in eine Apokalypse verwandelt. Als nur noch er und X übrig sind, steigert sich die Kirchenorgel des Synthies ins Extreme und X fordert Rache für seinen getöteten Bruder. Die Gier nach seinem Heroin, mit dem er die Straßen überfluten möchte, wird schließlich sein Schicksal besiegeln.
FH: Damit geht ein denkwürdiger Film zu Ende, der so wirklich nur in den Achtzigern entstehen konnte. Die knüppelharte Action, gepaart mit dem bis auf die blanke Folie heruntergekürzten Plot, dem Schmuddellook und dem angesprochenen, nicht zu übersehenden Symbolismus ergeben in Verbindung mit der recht einfältigen, um nicht zu sagen unbeholfenen Regie Buntzmans (einige Szenen mussten von William Sachs nachgedreht werden) eine einzigartige und äußerst merkwürdige Mischung, die so sicher niemals geplant war. Man merkt an allen Ecken und Enden, dass die Macher wohl nicht mehr als einen affirmativen Popcorn-Film im Sinn hatten – ein Plan, der zum Glück gründlich in die Hose gegangen ist, denn erst das macht den Film richtig interessant. Selten bekommt man ein Spektrum geboten, das von fies anzuschauenden Verbrennungen über die schon erwähnten Breakdance-Einlagen und dystopische Elemente bis hin zu den an DAS A-TEAM oder auch an McGYVER erinnernden Basteleien des Exterminators am Müllwagen seines toten Freundes, mit dem er sich anschickt den menschlichen Müll von der Straße aufzusammeln. Für Buntzman war dieser Film sowohl Auftakt als auch Ende seiner Regisseurlaufbahn. Immerhin erwuchs für ihn aus diesem Film eine produktive Freundschaft mit Mario van Peebles, mit dem zusammen er in verschiedenen Funktionen vier weitere Filme (POSSE, PANTHER, LOVE KILLS, STANDING KNOCKDOWN) machen sollte.
A: Tja, ein Popcorn-Film zu dieser Zeit konnte manchmal etwas anders aussehen als heutzutage. Man denke nur mal an MAD MAX II – DER VOLLSTRECKER. Aber ich kann Dir nur in allem zustimmen. So einen Unterhaltungsfilm, der im damaligen Kinojahr in Deutschland sogar Brian de Palmas SCARFACE hinter sich ließ, konnte man wirklich nur in den 80er Jahren drehen. Der Symbolismus zum Ende ist schon frappierend. Der Exterminator ist ab Beginn des Showdowns endgültig hinter seiner ihn zur Maschine degradierenden Schweißermaske verschwunden, seiner Menschlichkeit beraubt. Kurz bevor das Inferno startet, sehen wir noch einmal sein Augenpaar, aber dann wird bis zum Schluss inklusive nie wieder das Gesicht Eastlands gezeigt. Nachdem X tot ist, kommt die Entledigung seiner Insignien des Todes, dem Abstreifen der alten Identität gleich und ähnlich wie Truman Burbank (DIE TRUMAN SHOW), marschiert er in eine neue Zukunft, ohne das wir noch einmal einen Blick auf sein ihm Menschlichkeit verleihendes Gesicht werfen können. Als vorwärts humpelnde Gestalt – im Hintergrund die langsam anschwellenden Polizeisirenen – begibt er sich in das buchstäbliche Licht am Ende des Tunnels. Was dort auf ihn wartet, bleibt ungewiss.
Wir danken dem Cinefactler TRAXX, ohne den dieser Artikel nicht möglich gewesen wäre.
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