Dienstag, August 01, 2006

Go West!

Red Heat (Red Heat)
USA 1988
Regie: Walter Hill, Drehbuch: Harry Kleiner, Walter Hill, Troy Kennedy Martin, Musik: James Horner, Kamera: Matthew F. Leonetti, Schnitt: Donn Aron, Carmel Davies, Freeman Davies
Darsteller: Arnold Schwarzenegger (Hauptmann Ivan Danko), James Belushi (Detective Sergeant Art Ridzik), Peter Boyle (Commander Lou Donnelly), Ed O’Ross (Viktor Rostavili), Gina Gershon (Cat Manzetti), Larry Fishburne (Lieutenant Charlie Stobbs), Richard Bright (Detective Sergeant Gallagher)

Synopsis: Hauptmann Ivan Danko macht in Moskau Jagd auf den Drogenhändler Viktor Rosta. Der Schwerverbrecher entkommt, nicht jedoch, ohne vorher Dankos besten Freund und Partner umzubringen. Für einen Drogendeal setzt sich der Kriminelle in die USA ab, wird dort jedoch aufgrund einer Bagatelle erwischt. Als die Russen Nachricht über den Verbleib des Schwerverbrechers erhalten, schicken sie Danko über den großen Teich, um Rosta zurückzuholen. Während der russische Polizist und sein Chicagoer Kollege Ridzik im Zuge ihrer Zusammenarbeit Gelegenheit bekommen, ihre gegenseitigen Vorurteile abzubauen, entwischt ihnen der Gesuchte erneut ...

FUNKHUNDD: Wie an RED SCORPION, so kann man auch an RED HEAT sehr gut den politischen Stimmungswandel in den späten Achtziger-Jahren nachvollziehen. 1988 war das letzte Regierungsjahr von Reagan, der Zusammenbruch der UdSSR war zwar noch nicht vorhersehbar, wohl aber hatte Gorbatschows Entspannungspolitik bereits dazu geführt, dass eine gegenseitige Annäherung stattgefunden hatte. Walter Hills Film geht noch einen ganzen Schritt weiter als Joseph Zito mit RED SCORPION, der auch schon von den Auswirkungen dieses geschichtlichen Prozesses befallen war: Musste dessen Hauptfigur, der Soldat Nikolai, aber erst einen Menschwerdungsprozess durchlaufen, um sich für das amerikanische Publikum als Held zu qualifizieren, so ist Ivan Danko von Anfang an ein Sympathieträger.

DER AUSSENSEITER: RED HEAT ist einer dieser Filme, die man eigentlich erst heutzutage so richtig würdigen kann, da dem Film in den ausgehenden 1980ern noch zu sehr der Ruf des Schwarzenegger-Vehikels vorauseilte. Dies lässt sich so nicht mehr halten. Wenn man sich den Film aufmerksam ansieht, dann erkennt man die äußerst differenzierte Darstellung, die bei einem Aufeinandertreffen von Ost und West in einem Buddy-Movie zur Zeit des kalten Krieges erreicht wird. Walter Hill empfiehlt sich einmal mehr als der Regisseur für das erwachsene Actionkino. Bemerkenswert, wie Hill hier gleichermaßen Völkerverständigung betreibt sowie mit mystischen Bildern zu Beginn in eine fremde Welt einzuführen scheint.

FH: Da kann ich dir nur beipflichten. Hill drängt die eigentliche Krimihandlung zugunsten des von dir angesprochenen Themas in den Hintergrund: In RED HEAT geht es um die Überwindung von Vorurteilen, die Verständigung zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kulturen und politischer Systeme. Das spiegelt sich schon in den Produktionsbedingungen wider, denn Walter Hill war der erste US-Filmemacher, der auf dem Roten Platz in Moskau drehen durfte. Die dort entstandenen Szenen finden sich – bis auf die kurze Schlusseinstellung des Films – allesamt in der Anfangsviertelstunde. Diese Rahmung mag nun nicht besonders spektakulär anmuten, doch m. E. ist sie das: Denn der Dreh- und Angelpunkt, sozusagen die „Heimat“ von RED HEAT, liegt in Russland. Walter Hill zwingt seinen Zuschauern eine russische Perspektive auf, der anschließende Blick auf die USA erfolgt gleichsam durch die russische Brille.

A: Das zeigt sich schon am Beginn in dem türkischen Bad. Die muskulösen, männlichen Körper, die sich dort räkeln, bedienen sowohl homoerotische Fantasien als auch die Vorstellung gestählter Adonisse, die einem sozialistischen Schönheitsideal entsprechen. Das kantige, offensichtlich aus Stein gemeißelte Gesicht Schwarzeneggers, der als aufrechter, völlig von der sowjetischen Ideologie überzeugter Hauptmann Ivan Danko der Bruder von Dolph Lundgrens Nikolai sein könnte, wird sich auch im gesamten Verlauf des Filmes kaum bewegen. Stoisch, unbeugsam und unerbittlich wie sein Gesicht stampft Danko durch die Unterwelt Moskaus.

FH: Wenn dieser sozialistische Klotz dann schließlich in die USA verpflanzt wird, dann haftet ihm nicht nur etwas Komisches, sondern ein geradezu tragischer Zug an. Er wirkt einfach völlig deplaziert in den USA.

A: Ja und deshalb ist es geradezu verblüffend wie es Hill spielend leicht gelingt, Klischees aufzubrechen, wenn Danko und sein Partner im Auto miteinander sprechen und er die „Russkies“ plötzlich von ihrer menschlichen Seite zeigt. Weiterhin wird auch auf innerpolitische Probleme verwiesen, da es Rassenhass auch in der geeinten Sowjetunion zu geben scheint. Auch wenn es gerne so dargestellt wurde, aber ein fröhlicher „Sozialistenbund“ war die UdSSR wirklich nicht. Auch hier führte ein Festhalten an Nationalismen dazu, dass intern immer noch unterschieden wurde zwischen Russen, Georgiern oder Ukrainern.

FH: Das wird in RED HEAT ja sogar in der Kneipenszene ganz explizit thematisiert: Rosta wird als Georgier zum Verbrecher abgeurteilt und stigmatisiert, indem die georgische Namensendung „vili“ eliminiert wird. Eigentlich heißt er nämlich Rostavili und er legt großen Wert auf diesen vollständigen Namen. Für die russischen Polizisten heißt er aber nur Rosta, was für den Georgier einer Kastration gleichkommt.

A: Als Danko die Spelunke betritt, in der er Viktor Rosta verhaften möchte, ist er der Feind im eigenen Land. Diese Szene ist sehr stimmungsvoll und führt uns auch zu einer schönen Paradoxie, denn Hill zeigt uns das Vertraute im Fremden: Die Gäste sitzen in einer rustikalen, altertümlich erscheinenden Kneipe, der Klavierspieler rotzt ein Lied an der Kamera vorbei, in einer Sprache, die (zumindest für Amerikaner) dem Feind gehört, ein abgetrennter Schweinekopf liegt in seiner eigenen Sülze zwischen den Drinks mitten auf dem Tresen. Danko wird mit feindlichen Blicken gemustert und genau hier beginnt es für den Zuschauer zwischen all den Augen, die auch ihn zu mustern scheinen, durch Genrekonventionen vertraut zu werden. So eine Szene kennen wir nämlich aus dutzenden Cop-Filmen, wo der amerikanische Bulle in die amerikanische Kneipe irgendeines Ghettoviertels marschiert und ordentlich Stunk macht. Der westliche Zuschauer kann die ersten Parallelen ausmachen, was endgültig bestätigt wird, wenn Danko eine Polizeimarke zückt, um sich bei Rosta und seiner Gang zu legitimieren. Die Drehbuchautoren sind ja nicht doof und wussten mit Sicherheit genau, dass die Moskauer Polizei sich nicht ausweisen musste, denn schließlich wurde in älteren amerikanischen Filmen nur allzu gerne auf den Gestapocharakter der sowjetischen Miliz verwiesen. Doch ebendies schafft die Bindung des Zuschauers an die Ereignisse, die sich so auch mühelos im Westen bzw. in westlichen Krimis abspielen könnten. Der folgende Dialog zwischen Rosta und Danko ist dann auch äußerst klischeebeladen, aber unterhält im gezeigten Kontext mit einer Melange aus Bekanntheit und Faszination.

FH: Das ist ja eine der großen Strategien von Hills Film: Die UdSSR und die USA werden im Verlauf des Geschehens mehr und mehr parallelisiert. Sowohl Danko als auch Ridzik sind Außenseiter-Cops. So merkt Dankos Freund nach der Badszene mit einem Lachen an, dass Dankos Spitzname „Ironjaw“ nun durch „Cleanhead“ ersetzt würde, weil er beschnitten ist (ein Spitzname, der lustigerweise später als Name für die glatzköpfigen schwarzen Drogendealer wieder auftaucht). Ridzik seinerseits tritt mit seiner flapsigen Art allen Kollegen auf den Schlips und wird nicht besonders Ernst genommen. In beiden Ländern tritt der Staat autoritär auf und trifft auf Widerstand: Nicht nur in Russland, auch in den USA muss die Polizei Gewalt anwenden, um etwas aus den Verdächtigen herauszubringen – sofern diese sich nicht vorher ganz dem Zugriff entziehen. Und ebenso gibt es in beiden Ländern eine unterdrückte Bevölkerungsgruppe: Hier die Schwarzen, dort die Georgier. Gegenüber den Protagonisten hat der Zuschauer einen Wissensvorsprung, denn wir bekommen ja beide Seiten vorgeführt. Die beiden Helden, die das jeweilige Klischee darstellen, müssen im Blick des Gegenübers dieses Klischee erst als solches enttarnen. Danko ist schweigsam, unnahbar und ungemein sachlich. Er lächelt nie und steht dem kapitalistischen System der USA mit Verachtung gegenüber. Ridzik ist der vulgäre amerikanische Großstadtcop, großmäulig und etwas feige. Pflichtbewusstsein ist ihm ein Fremdwort und Russen hält er für Hinterwäldler. Beide erhalten nun Gelegenheit, ihre Vorurteile abzubauen oder aber zumindest zu erkennen, dass das eigene Verhalten in den Augen des anderen genauso marottenhaft ist.

A: Ja, in Chicago kann auf das übliche Repertoire des Buddy-Films zurückgegriffen werden. Das wird ja dann auch mit einem harten Schnitt und entsprechender 80er-Mucke deutlich gemacht.

FH: Der harte Schnitt wird besonders auffällig, weil sowohl James Horners Score vorher ganz auf Kasatschok, die Credits auf Pseudo-Kyrillisch getrimmt waren.

A: In einer amerikanischen Megametropole ist jedoch alles wie gehabt. Belushi alias Ridzik darf mit einer gehörigen Portion Sarkasmus und Borniertheit seinem Dienst nach- und strebsamen Kollegen auf die Nerven gehen: allein schon sein Monolog, ob die Titten der Frau, die gerade am Überwachungswagen vorbeigeht, echt sind oder nicht. Bei den „Cleanheads“, die zu Beginn in Chicago geschnappt werden, handelt es sich samt und sonders um Schwarze und damit das Bild nicht einseitig erscheint, wird der überkorrekte, karrieregeile Polizist Stobbs von Laurence Fishburne gespielt.

FH: Der von dir angesprochene Umschwung des Films ist aber nur zu verständlich: Da sich RED HEAT in erster Linie an ein amerikanisches Publikum richtet, sind es vor allem die USA und ihre Einwohner, die ihr Fett weg bekommen. Auf den Straßen Chicagos regiert das Laster und das Verbrechen, dem die Justiz nicht mehr Herr wird – ein thematisches Überbleibsel aus dem Actionfilm der mittleren Achtziger –, Schwarze werden nach wie vor unterdrückt, Frauen als Anhängsel der Männer diffamiert, das Urbane verschlingt alles andere und die Menschen müssen sich fragwürdiger esoterischer Methoden bedienen, um ihren arbeitsbedingten Stress loszuwerden.

A: Na ja, so fragwürdig sind die Methoden, die du ansprichst, nun nicht unbedingt. Da ist nichts dabei, was mein Arzt mir nicht auch schon zum Stressabbau empfohlen hätte.

FH: Schon richtig, aber am Blick Dankos sieht man, dass es für solche Luxusproblemchen und Aquarien im Büro in der UdSSR keinen Platz gibt.

A: Schön aber, dass Danko, nachdem er von Donnelly zu russischer Stressbewältigung befragt wird, das Nationalklischee schlechthin bedient und lakonisch antwortet: „Wodka.“ Da wird einem klar gemacht, dass in diesem Zementblock auch menschliche Regungen sind.

FH: Hill zeigt eben, dass nicht „der Russe“ böse ist, sondern das System, das hinter ihm steht – das ist ein gewaltiger Fortschritt zu den früheren Actionfilmen, in denen gerade die Bösartigkeit jedes Einzelnen erst die Bösartigkeit des Systems ausmachte. Danko und Ridzik sind Vertreter der alten Schule. Sie haben die Trennung in Ost und West absolut verinnerlicht und tun sich deshalb zunächst schwer miteinander. Dass diese scharfe Trennung bereits in der Auflösung begriffen ist, bemerken sie nicht. So sagt Dankos Partner zu Beginn, dass die Straßen in Russland bald ebenso von Drogen überschwemmt sein werden wie im Westen. „Niemals!“, entgegnet Danko: Es ist für ihn überhaupt nicht vorstellbar, dass sich an der bestehenden Weltordnung einmal etwas ändern könnte.

A: Genau da wird erkennbar, dass Danko, genau wie das alte, nur drei Jahre später zusammengebrochene System, nicht in der Lage ist, über sich hinauszudenken. So wie das System sein eigenes Ende nicht voraussehen konnte, wird auch Danko mit ihm untergehen. Er existiert nur durch seinen Glauben an die bestehende Ordnung, oder wie Rosta sogar bemerkt: „Ohne mich, würdest Du überhaupt nicht existieren.“ Und an anderer Stelle: „Du bist einer dieser Sowjets, die sich nur auf den Tod freuen.“

FH: So sieht’s aus. Die Verbrecher sind deutlich progressiver als die Helden, aber das ist ja fast immer so: Rosta bewegt sich mit schlafwandlerischer Sicherheit in den USA und zieht dort ganz professionell einen Deal mit einer Bande schwarzer Drogendealer ab. Und während die beiden Helden noch ganz im Sinne der alten Wildwest-Mentalität vorgehen und sich über zu laffe Richter beschweren, die alle gefassten Verbrecher mit Handschlag wieder freilassen, organisiert Abdul Elijah, Kopf der schwarzen Drogendealer, sein Imperium aus dem Knast heraus: ein Geschäft, das er als Politik betrachtet und damit das Unverständnis der beiden Polizisten erntet. Er bezeichnet sich als Revoluzzer, der die weiße Herrschaft mit Drogen stürzen will. Und Rosta, ein Hedonist wie er im Buche steht, bereitet sich schon auf die Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor: Mit Kokain will er die größte Party Russlands zusätzlich anheizen. Ein Kapitalist in Reinkultur und ein Ausblick auf die Probleme, die Russland heute hat.

A: Die Thematik der unterdrückten Afro-Amerikaner bringt Hill ja immer gerne in seinen Filmen unter, lässt seine Aussagen aber eher dezent im Hintergrund laufen. Das wird dann auch manchmal gar nicht verstanden, wie z. B. bei TRESPASS, mit dem er wegen angeblich rassistischer Tendenzen eine Menge Ärger hatte. Die Grabenkämpfe, in denen Ridzik und Danko sich immer mal wieder befinden, lassen sich übrigens auch schön an Dankos Waffe exemplifizieren, die es nämlich gar nicht gibt: Die Podbyrin 9,22mm ist eine Erfindung des Films und ihr direktes In-Konkurrenz-Treten mit der legendären 44er spiegelt den ewigen Wettstreit der beiden Systeme wieder. Mann kann wohl sagen, dass Hill eine ironische Annäherung betreiben wollte, aber auch er hat letztendlich nicht an die Möglichkeit gedacht, dass die Sowjetunion nur kurze Zeit später „aufgelöst“ werden würde. Insofern ist RED HEAT in seinem Genre ein wunderbarer aber nicht-intendierter Abschlussfilm des Geistes der 1980er.

FH: Ja, die Entwicklung wird durch die Abkehr der Helden vom Hardlinertum geradezu vorweggenommen: Sind sowohl Danko als auch Ridzik zu Beginn noch systemkonform, so lösen sie sich im Laufe des Films davon, weil sie es in Teilen als unmenschlich, zumindest aber als defizitär erkannt haben. Für Danko wird die Übergriffigkeit seiner russischen Vorgesetzten zum Wendepunkt: Er wird von ihnen bedrängt als er mit einer Gehirnerschütterung im Krankenhaus liegt – eine Szene, die sich sehr ähnlich in RED SCORPION wiederfindet: Dort wird Nikolai dann aber gefoltert, hier bleibt es bei der verbalen Gewalt. Ridziks Abkehr entzündet sich an der opportunistischen Karrieregeilheit seines Kollegen Stobbs, für den Kollegialität ein Fremdwort ist. So erklärt sich dann auch das Schlusswort des Films: „We´re not politicians, Ridzik. It`s OK for us to like each other.“

A: Es wäre gar nicht mal so uninteressant gewesen, eine Fortsetzung des Filmes in den 90ern zu sehen. Wie wäre Danko mit all den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen klar gekommen? Wäre er Polizist geblieben oder hätte er den Job an den Nagel gehängt und Ridzik in den Staaten besucht? Sie hätten bestimmt noch ein paar tolle Abenteuer erlebt.