Draußen vor der großen Stadt stehen die Rocker sich die Füße platt

USA 1986
Regie: Richard C. Sarafian, Drehbuch: Michael Thomas Montgomery, Kamera: Peter Lyons Collister, Musik: Don Preston, Schnitt: Gregory Prange
Darsteller: Gary Busey (Buck Matthews), Yaphet Kotto (J. B. Deveraux), Seymour Cassel (Sheriff), Bert Remsen (Father Healey), William Smith (Blade), Kimberlin Brown (Dawn)
Synopsis: Der verdiente Vietnam-Veteran Buck Matthews kehrt nach einer Haftstrafe, die er einem korrupten Sheriff zu verdanken hat, zurück in seinen texanischen Heimatort, wo Frau und Tochter auf ihn warten. Doch das Dorf hat sich während seiner Abwesenheit verändert: Eine Rockerbande, die in einem in der Wüste gelegenen Camp Drogen herstellt, terrorisiert mit Duldung des Sheriffs die Einwohner. Als Buck einer Frau zu Hilfe eilt, landet er auf der Schwarzen Liste der bösen Buben. Ihre Rache kostet Bucks Frau das Leben und weil er vom Gesetz keine Hilfe erwarten kann, nimmt er den Kampf allein auf ...
FUNKHUNDD: DER TIGER ist ein vordergründig recht typischer Vertreter des Actionkinos der Achtziger. Es gibt einen Racheplot, einen tapferen und aufrichtigen Vietnamveteranen, einen korrupten Gesetzeshüter und abgrundtief böse Schurken. Dennoch hakt Regisseur Sarafian nicht einfach nur die klassischen Eckpunkte ab, sondern baut einige kleine Variationen ein, die DER TIGER interessant machen.

FH: Stimmt, denn Sarafian ist zwar ein seit den Fünfzigern tätiger Regieveteran, hat allerdings überwiegend für das Fernsehen gearbeitet, u. a. für die Serien BATMAN, SOLO FÜR O.N.K.E.L., BONANZA, MAVERICK oder THE TWILIGHT ZONE, um nur einige wenige zu nennen. Sein bekanntester Film dürfte wohl das Roadmovie FLUCHTPUNKT SAN FRANCISCO sein, heute tritt er überwiegend als Schauspieler auf, dafür hält sein Sohn Deran die Regiefahne weiterhin hoch. Kameramann Collister, hier mit seinem vierten Film als DP, ist mittlerweile gut im Geschäft, hat zuletzt etwa GARFIELD 2 und THE AMITYVILLE HORROR gemacht.
A: Deran Sarafian durfte nicht nur diese eine Fahne hochhalten, sondern auch als Hauptdarsteller in Fulcis/Matteis ZOMBIE III die Reihe amerikanischer Schauspieler erweitern, die sich in Produktionen der südeuropäischen Filmindustrie versuchen. Aber zurück zum Film. Sarafian tut sich ganz schön schwer damit das schwache Drehbuch von Michael Thomas Montgomery umzusetzen. Es will ihm nicht so recht gelingen eine Plausibilität in der Handlung nachzuzeichnen.
FH: Das sehe ich zwar ganz anders, aber dass Sarafian aus der alten Regieschule kommt, sieht man DER TIGER an. Großen formalen Hokuspokus gibt es nicht, stattdessen erinnert sein Film wie du schon angedeutet hast an die alten Western: der Held, der nach langer Abwesenheit in seine Heimat zurückkommt und auf Widerstände stößt, die staubige Kulisse Texas’, der kleine Ort, der vor Angst wie gelähmt ist.


A: Dies bezieht sich m. E. nur auf Buseys Gesicht, das durch sein ausdrucksstarkes Profil punktet. Die Charakterisierungen sollen sich hauptsächlich aus den Dialogen ergeben, aber die reißen die Dinge immer nur an, statt sie zu vertiefen. Das schauspielerisch durchaus vorhandene Potenzial von Busey wird leider nicht voll ausgeschöpft. Die enorm lange Anlaufzeit des Filmes – es dauert fast 50 Minuten bevor Busey etwas unternimmt und nach dieser Aktion passiert wieder erstmal lange Zeit nichts – könnte die Überlegung stützen, dass Sarafian keinen einfachen „Hau Drauf“-Actioner drehen wollte.


A: Was Du da schilderst sind für mich aber eher Typzuweisungen als wirkliche Charakterisierungen. Matthews ist der Typ „aufrecht arbeitender Amerikaner“ und Jamie der Typ „Tony Montana für Arme“. Daraus lässt sich innerhalb eines begrenzten Genrerahmens etwas über die Grundausrichtung ihrer Figuren sagen, aber nicht wirklich welche Charaktereigenschaften sie haben. Von den von dir angedeuteten Elementen wird nichts weiter entwickelt. Die Figur des Jamie spielt nach dem fünfminütigem Beginn überhaupt nicht mehr mit. Bucks Zurückgezogenheit und sein Wunsch, wieder klein anzufangen, werden standardisiert abgehakt. Ebenso die Bedrohung durch die Rocker, die mal kurz angedeutet wird, indem drei durchs Kaff fahren.

FH: Den Vorwurf, es gäbe hier keine echten Charaktere, kann ich nicht ganz nachvollziehen, arbeitet dieses Genre doch immer mit Klischees und Vereinfachungen. Ausgerechnet diesem Film das vorzuwerfen, halte ich für ungerecht, denn die Typen kommen glaubwürdig rüber, was wohl auch den fähigen Akteuren – Busey, Kotto, Cassel – zu verdanken ist. Dass Sarafian durchaus versucht, von den ausgetretenen Pfaden abzuweichen, zeigt sich etwa in der Szene, in der Buck versucht, die Bewohner seines Heimatorts dazu zu bewegen, ihm zu helfen, aber nur auf Angst, Feigheit und Ignoranz stößt: In Vietnam habe er nicht für die Flagge oder das Land, sondern für seine Heimat, für seine Nachbarn und Freunde gekämpft. Der Einsatz in Vietnam hat ihm Respekt eingebracht, aber auch Feinde:

A: Bucks Ansprache ist eine Szene, wo es Sarafian tatsächlich gelingt, seinem Werk etwas eigenes zu verleihen. Anders als vergleichbare Filme aus der Zeit werden abstraktes Ideologiendenken und Hurra-Patriotismus beiseite geschoben, wenn Buck deutlich macht, dass er für die Menschen kämpfte, die er kennt, die ihn umgeben und definieren. Nicht für eherne Ziele, mit denen sich Politiker schmücken. Allein dies charakterisiert ihn dann tatsächlich mehr als die Dialogszenen. Hier wird auch versucht den Film von dem üblichen politischen Subtext zu befreien.

A: Ein Konzept welches hier allerdings versagt, da Sarafian, im Gegensatz zu NIGHT HUNTER, keine erzählerische Dichte erreicht. Zu Beginn des Films dachte ich mir noch: „Schön, wie langsam Sarafian den Film entwickelt.“, aber nachdem nach einer Dreiviertelstunde immer noch nichts passiert war, merkte ich, dass der Film sich nicht steigert. Die Actionszenen wirken wie nachträglich eingestreut und sind in ihrer Kontinuität auch nicht immer logisch platziert. Buck und sein Kumpel J.B. hängen mal da rum oder dort rum und rein zufällig kommen dann auch mal wieder ein paar Rocker vorbei. Das wirkt selbst für so einen Film erschreckend einfallslos.

A: Diese Form der strukturellen Gewalt gehört zum wenigen, was mir nach damaliger Erstbetrachtung im Gedächtnis blieb. Die Todessekte in DIE CITY COBRA liefert durch den „Nachtschlitzer“ sowie dessen Gespielin, die bei der Polizei tätig ist, viel stärkere Bezugspunkte zur Handlung als das durch die auch kaum auftretenden Rockerfiguren überhaupt möglich wäre. William Smith, der den Anführer Blade spielt, kann dies durch sein Böse-Gucken und die grölig-versoffene Stimme ausgleichen, aber er kommt gegen die Dialoglastigkeit und seine spärlichen Auftritte nicht an.

A: Ja, diese Szene hat Power. Davon hätte ich gerne mehr gesehen, denn so bleibt der Film auf eine gewisse Weise etwas bieder. Der Schlusskampf zwischen Buck und Blade illustriert eigentlich ganz gut die Betulichkeit des Films.

A: Sicher nicht, aber mir geht es auch mehr um die Inszenierung und diese kurze Szene reißt den völlig blutleeren Showdown auch nicht in die härteren Gefilde.
FH: Um noch kurz ein Beispiel dafür zu bringen, was ich damit meinte, dass Sarafian die Standards immer ein bisschen variiert, ist das kurze Aufblitzen des unvermeidlichen Selbstjustiz-Vorwurfs, den – wie jeder anständige Actionheld der Achtziger – auch Buck über sich ergehen lassen muss, nachdem er den Gangrape zu Beginn verhindert hat: Der Sheriff, ein Arschloch vor dem Herrn, sagt, er brauche so einen Selbstjustizscheiß nicht in seiner Stadt, ganz im Stile des typischen gesetzestreuen Staatsbeamten. Der Unterschied: Er steckt mit den Bösen unter einer Decke, der Vorwurf wird einzig und allein deshalb von ihm erhoben, weil es die einzige Möglichkeit ist, Buck zu diskreditieren – was angesichts dessen Tat ja vollkommen absurd ist.
A: Na ja, diesen Storyplot, kennt man doch aus vielen amerikanischen Serien. Allein in KNIGHT RIDER wird die Story um den korrupten Sheriff, der die Hauptfigur aus der Stadt haben will und mit den Schurken gemeinsame Sache macht, in mindestens drei Episoden zum Thema gemacht.
FH: Aber da wird Michael Knight wahrscheinlich eher nicht der explizite Vorwurf der Selbstjustiz gemacht, obwohl das ja auch mal was gewesen wäre! Auch wie Sarafian das Rassenproblem anreißt – J. B. sagt, er habe in diesem Kaff zwanzig Jahre gebraucht, um Sergeant zu werden, was jeder andere in einem Bruchteil dieser Zeit geschafft hätte –, finde ich nicht gerade typisch für einen solchen Film. Es sind eben nicht nur die bösen Rocker, die den Unfrieden bringen, sondern nicht zuletzt gesellschaftliche Strukturen.



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