Gottes Krieger
USA 1988
Regie: Peter MacDonald, Drehbuch: Sylvester Stallone, Sheldon Lettich, David Morrell, Kamera: John Stanier, Musik: Jerry Goldsmith, Schnitt: O. Nicholas Brown, Andrew London, James R. Symons, Edward Warschilka
Darsteller: Sylvester Stallone, Richard Crenna, Marc De Jonge, Kurtwood Smith, Spiros Focas, Sasson Gabai
Synopsis: Der mittlerweile zurückgezogen in einem thailändischen Kloster lebende Rambo erhält Besuch von Colonel Trautman: Für einen Einsatz in Afghanistan, mit dem die USA den afghanischen Widerstand im Kampf gegen die russischen Invasoren unterstützen will, benötigt er Rambos Hilfe. Doch der Soldat hat mit dem Krieg abgeschlossen. Erst als Trautman in Gefangenschaft gerät, beschließt Rambo noch einmal in die Schlacht zu ziehen ...
AUSSENSEITER: Mit RAMBO III ist der Mythos nun endgültig da angekommen wo er hingehört: in die Sphären des Mystizismus. Entgegengesetzt zu seinem martialischen Körper, der wohl nie wieder so aufgepumpt war wie hier, hat John Rambo sich nach seiner Heldentat in ein buddhistisches Kloster in Thailand zurückgezogen, um dort dem Sinn des Lebens nachzugehen. Kein glorreiches Zurückkehren in sein Heimatland – was der Patriotismusargumentation nun endgültig den Wind aus den Segeln nimmt – sondern ein Sich-Besinnen. Sehr interessant wie man nun vom ersten Teil des in seiner Heimat unerwünschten Kriegers über den in der Schlacht erfolgreichen Krieger die Ereignisse weiterverfolgen kann zum ruhenden Krieger. Rambo hat sein Trauma besiegt und eine letzte große Schlacht geschlagen. Er hat kein Interesse mehr an den großen Kämpfen, doch ganz kann er das, was er am besten kann, nicht erlösen. Die Stockkämpfe von Zeit zu Zeit, um mit dem Gewinn den Bau des Klosters voranzutreiben, geben ihm die Möglichkeit, das auflodernde Feuer der Aggression zu kontrollieren. So wirkt er auch schon mehr wie ein unter den Lebenden Wandelnder, der kaum noch Kontakt zum Boden hat auf dem er schreitet. Das Eindringen Trautmans in diese Idylle und das Erzählen von einem anderen düsteren Kriegsschauplatz, dem nicht unähnlich, dem sie beide entkommen waren, kann ihn deshalb auch, trotz Grübelns, nicht wirklich mehr locken.
FUNKHUNDD: Richtig. Das, was Rambo im zweiten Teil zunächst noch verwehrt wurde, der Ausstieg aus dem Kriegerleben, hat er nun gefunden. Doch dieser Ausstieg scheint nicht aus der Vernunft heraus geboren, sondern im Gegenteil nur eine Flucht zu sein. In RAMBO III wird relativ unmissverständlich klargemacht, dass dieser Rambo kein normales Leben führen können wird, so sehr er das auch wünschen und versuchen mag. In Jerry Goldsmiths filigranen südostasiatisch angehauchten Score mischen sich immer wieder bedrohliche Störgeräusche, wird die Atmosphäre spiritueller Erhabenheit durchbrochen, sobald Rambo ins Bild kommt: Zunächst sehen wir nur dessen Hände in einer für den Actionfilm der Achtziger so typischen Pars-pro-toto-Aufnahme bei den Vorbereitungen zu seinem Stockkampf. Auch in dem folgenden archaischen Wettkampf sehen wir deutlich, dass dieser Rambo den inneren Schweinehund jederzeit wieder von der Kette lassen kann. Es kostet ihn sichtlich Zeit und Kraft, seinen am Boden liegenden Kontrahenten nicht zu beseitigen, sondern ihm sportlich die Hand zu reichen. Etwas anderes nimmt von ihm Besitz, wenn er kämpft. Trautman erkennt Rambos innere Zerrissenheit sofort: Er versucht ihn zur Rückkehr zu überreden und fragt, wann Rambo endlich „full circle“, wann er also „vollständig“ werde und sein Talent als integralen Bestandteil seiner Person betrachten würde. Hier wird dann auch mit der „Gemachtheit“ Rambos gebrochen: Trautman erklärt ihm, dass die Army zwar ein paar Kanten abschleifen musste, um den perfekten Krieger aus ihm zu machen, das Meiste jedoch habe ihm bereits im Blut gelegen. Insofern ist es auch klar, dass die Entscheidung, nach Afghanistan zu gehen, eine rein emotionale, eine Herzensentscheidung für seinen väterlichen Freund ist. Das ist einer der wichtigsten Diskurse des Films: die Gegenüberstellung vom kleinen willenlosen Rädchen im gut geölten Getriebe und dem überzeugten Freiheitskämpfer, der für das kämpft, woran er glaubt.
A: Ja, diese Parallelmontage zu Beginn, wenn sich Trautman und die Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft in Thailand auf die Suche nach Rambo begeben und man gleichzeitig lediglich Körperteile von Rambo zu Gesicht bekommt, ist mit diesem aus dem Synthesizer stammenden Geräusch versehen, welches an eine über Asphalt ratternde Panzerkette erinnert. Ein ähnliches Geräusch verwendete Goldsmith auch schon bei RAMBO II – DER AUFTRAG, aber da war es noch nicht ganz so übertönend. Das von Dir erwähnte Michelangelo-Zitat dockt ja auch gut an das an, was du zum ersten Teil geschrieben hast. Der animalische Krieger steckte bereits von Anfang an in Rambo und das Militär musste lediglich einen Feinschliff vornehmen, indem es ihn in den modernen Tötungstaktiken unterrichtete. Auch dass es sich um König David gehandelt hat, den Michelangelo einst aus dem Stein „befreite“, ist ein interessanter Verweis auf die mythologische Aufladung John Rambos sowie auf den Subtext, den Stallone in alle seine Filme einfließen lässt: der Underdog, der sich gegen alle widrigen Umstände durchsetzt. Sogar die psychische Verfassung Rambos aus dem ersten Teil wird wieder aufgegriffen, wenn er sich erstmal klar machen muss, dass er seinen Gegner nicht töten muss, damit er gewinnt. Der gesamte Stockkampf hat überhaupt eine hohe Symbolkraft. Mit meditativer Vorbereitung, zerrissen von den „Panzerkettengeräuschen“, dem rituellen Beginn mit dem Schlagen der Stöcke auf den Boden, das archaische Waffenkonzept, die rohe Gewalt, mit der Rambo seinen ihm in der Technik eigentlich überlegenen Gegner zur Strecke bringt, sowie das Ablassen und die sportliche Geste vereinen bereits alles, was es über die Figur und die Reihe zu sagen gibt. Das Kloster, in dem Rambo jetzt lebt, erinnert an eine andere Welt. Rambo erscheint bereits jenseitig, als würde er hin und wieder aus den höheren Sphären hinabsteigen, um für die Mönche so profane pekuniäre Bedürfnisse zu erledigen und dann wandelt er wieder unter ihnen. Doch wirklich zu ihnen gehört er auch nicht. Dieser Wandler zwischen den Welten und Zeiten bekommt hier nun etwas Halbgottähnliches, doch er ist noch nicht müde genug. Diese Müdigkeit wird im vierten Rambo-Film mit Sicherheit noch stärker thematisiert.
FH: Darauf, wie die Figur im nächsten Teil weiterentwickelt wird, darf man auf jeden Fall gespannt sein. Im dritten Teil macht Rambo, was seine Persönlichkeitsentwicklung angeht, fast eine Pause: Über das hinaus, was wir eben diskutiert haben, passiert nur wenig mit der Figur, wird dafür die Actionschraube noch einmal gewaltig angezogen und drängt sich zunächst der politische – und mittlerweile historisch gewordene – Diskurs auf. Es ist Ironie des Schicksals, dass dieser Film, der nach seiner Veröffentlichung im Zuge des einsetzenden Stallone-Bashings schadenfroh verlacht wurde, weil er einen Konflikt thematisiert hatte, der bereits in den letzten Zügen lag, heute plötzlich eine ganz neuen Brisanz hat und fast visionär wirkt; ein ähnlicher Fall wie Edward Zwicks AUSNAHMEZUSTAND, der 1998 floppte und einem heute, post 9/11, eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken jagt. Zurück zu RAMBO III: Dessen großer ideologischer Coup ist die Parallelisierung afghanischer Gotteskrieger und der Vietcongs. Die Russen erleben in Afghanistan ihr Vietnam (wie Trautman nicht ohne Schadenfreude anmerkt), während die Amerikaner als von der Geschichte geläutert und gereift erscheinen und sich der krassen Außenseiter helfend annehmen wollen. Das geht zunächst unter Leitung Trautmans schief. Erst das beherzte Eingreifen des archaischen Kriegers treibt die russischen Kräfte in die Flucht. Diese Konstellation trifft sich natürlich ideal mit dem von dir schon angesprochenen Underdog-Komplex.
A: Im Grunde wird die Figur Trautmans von ihrer Militärzugehörigkeit dekontextualisiert und somit auch der nationalen Zugehörigkeit beraubt. Trautman ist ein alter Krieger, der, auch rein optisch, zu einem Freiheitskämpfer der Mudschahedin gemacht wurde. Es findet somit eine Parallelisierung der Figur zu den Freiheitskämpfern statt, die einst die Vereinigten Staaten unabhängig von der Besatzung der Briten gemacht haben, zur Gründung eines autarken Staates führten und die erste Demokratie ins Leben riefen. Jetzt, wo der Eiserne Vorhang Brüche aufzeigt, ist es ein neuer Ort geworden, der nach Freiheit und Demokratie schreit. Das Argument, dass der Konflikt zu diesem Zeitpunkt in den letzten Zügen lag, wird gerne ins Feld geführt, ist aber letztlich irrelevant. Versuche eines Demokratisierungsprozesses und Verhandlungen über eine Beilegung des Konfliktes starteten bereits 1983 und wurden nach dem Scheitern auch 1986 nochmals aufgenommen. Als die Produktion von RAMBO III begann, war bereits ausgehandelt, dass die Sowjets abziehen würden, doch taten sie dies mehr als schleppend. Fakt ist, dass sich die Sowjets sogar noch 1989 versuchten „durch die Hintertür“ immer wieder neu zu installieren. Hält man sich dies vor Augen, dann wird klar, dass RAMBO III in einem völlig eigenen Kosmos spielt und seine einzige Dreistigkeit darin besteht, dass er ausgerechnet diesen Krieg als weiteren Hintergrund für ein Actionspektakel benutzt. Andererseits braucht er diesen Hintergrund auch, da er in Anbetracht der völlig überdimensionierten Action sonst überhaupt keinen Bezug mehr zur Realität hätte. Dass Trautman nun als umgewandelter, archaischer Freiheitskämpfer nach Afghanistan geht, zeigt die typisch amerikanische „Anpackermentalität“, die eben nur im Film funktionieren kann. Der inhaltliche Reaktionismus des Genres wird in RAMBO III zum inhaltlichen Reduktionismus erweitert. Diese Chiffren und Symbole sind das Einzige was man als Rezipient an die Hand bekommt. Danach startet ein Schlachtgewitter sondergleichen.
FH: Ich fand deinen diesbezüglichen Hinweis auf die Filmplakate der Reihe sehr erhellend. Wenn man sich deren Motive anschaut, erkennt man daran sehr genau, welche Entwicklung die Figur durchlaufen hat: Auf dem Poster zu RAMBO wirkt die Figur mit ihrer provisorischen Kampfmontur wie ein Eindringling, ein Monster, das unberührt in dem Chaos steht, das es verursacht hat. Das korrespondiert mit seiner Außenseiterrolle und verdeutlicht die Zerrissenheit der Figur, die nichts Böses will, aber dennoch nur Zerstörung hinterlässt. Das Motiv zu Teil 2 zeigt Rambos durchtrainierte Gestalt inmitten eines Flammenmeers, einen Raketenwerfer haltend: Rambo ist im Krieg – oder, um im Jargon des Films selbst zu bleiben: in der Hölle – zu Hause. Er ist aus dem Feuer geboren und dorthin muss er zurückgehen, um gereinigt zu werden. Auf dem Poster zu RAMBO III überragt Rambo souverän das Geschehen wie ein Bergmassiv, aber sein Blick geht – wie am Ende von RAMBO – in die Ferne. Fast sieht es so aus, als erwachse die Landschaft Afghanistan aus seinem Leib. Rambo hat die Sphäre des Irdischen längst verlassen. Um das zu bestätigen, wird immer wieder der Mythos thematisiert, etwa in den Erzählungen von Rambos afghanischem Führer Masoud. Die Reise durch Afghanistan ist auch eine Reise zu den Ursprüngen des Menschen. Auch das „blaue Licht“, das aufgrund Rambos einsilbiger Erklärung, dass es „blau leuchtet“, zu einem populären Gegenstand des Spotts geworden ist, knüpft an diese mythische Aufladung des Films an und verleiht den Szenen in der gewaltigen Grotte, in der Rambo zahlreiche Gegner lautlos aus dem Weg räumt, eine außerweltliche Atmosphäre.
A: Eben diesen One-Linern kommt eine besondere Bedeutung zu. Der Ursprung, sich nur in kurzen Aphorismen auszudrücken, entstammt ja eigentlich eher recht weisen Menschen und wird in einer hedonistischen, verklemmten Spaßgesellschaft wie der unsrigen höchstens innerhalb eines selbstironisch gemeinten Kontextes verstanden. Dies ist natürlich sehr platt und einfach. Und so changieren Rambos Sätze wunderbar zwischen mythischer Einfachheit und unfreiwillig komischer Ironie. Interessanter ist dann eher Erstgenanntes, da man damit eher arbeiten kann. Schon als Rambo mit den Mudschahedin deren Volkssport spielt, wird daher weiter darauf verwiesen, dass Rambo ein heiliger Krieger ist. Sogar Oberst Zaysen, der sowjetische Oberbefehlshaber über den Sektor, dessen Militärlager eine einzige Folterküche darstellt, kommt nach dem ersten gescheiterten Befreiungsversuch nicht umhin, Rambo mit Gott auf eine Stufe zu stellen. Trautman gibt ihm daraufhin eine ebenfalls gern zitierte Antwort: „Gott kennt Gnade! Er nicht!“ Die Rückführung zu den Ursprüngen des Kriegerdaseins wird dann auch an Trautman deutlich, der nach seiner Befreiung äußerst tatkräftig mitmischt und Rambo in der von dir genannten Höhle sogar das Leben rettet.
FH: Die beiden von dir genannten Interpretationsebenen – die der mythischen Überhöhung und die der Ironie – lassen sich wunderbar verbinden: Wenn Rambo das kurze „Gebet“ seines Führers, dass vom Zorn der Afghanen spricht, mit einem typischen Action-One-Liner paraphrasiert – auf die Frage, ob er verstehe, was das Gebet bedeute, sagt Rambo nur „That you guys don’t take any shit!“ –, dann zeigt er die Wurzeln des Actionkinos im Mythos auf. Ich habe ja schon bei unserem Gespräch zu RAMBO angedeutet, dass Trautman innerhalb der Serie die wohl drastischste Veränderung durchmacht: Vom steifen, durch seinen Rückzug aus dem aktiven Geschehen verunsicherten Würdenträger wird in RAMBO III ein Einzelkämpfer, der die ideelle Verwandtschaft zu seinem Schützling nicht länger hinter einer Schutzmauer aus Zwängen verbergen kann. Obwohl Rambo Trautman als Mentor und Freund ehrt, wird die hierarchische Struktur, die zwischen den beiden zuvor bestand, aufgelöst, wenn nicht sogar umgekehrt: Wenn die beiden nach der Schlacht in der Höhle ins Tal hinabsteigen und sich der Übermacht der russischen Armee gegenübersehen, ist es Trautman, der Rambo fragt, was sie jetzt tun sollen und es ist Rambo, der die Marschroute vorgibt und mit einem kernigen und unmissverständlichen „Fuck ’em!“ zum verzweifelten Angriff bläst. Der Unterschied zwischen dem einfachen Soldaten, der Rambo im ersten Teil trotz all seiner speziellen Talente war, und den auch noch Trautman repräsentiert, könnte im dritten Teil kaum größer sein. Hier ist Rambo der göttliche Krieger, der aus seiner Sphäre zu den Menschen hinabsteigt, um ihnen zu helfen. Der Blick der Mudschahedin, die diesem Kriegerideal staunend und bewundernd bei der Arbeit zusehen, ist identisch mit dem Blick der Kamera, die Stallones aufgepumpten Körper voyeuristisch umspielt und alle Torturen, die diesem Körper auferlegt werden, deutlich einfängt.
A: Dies gipfelt in der eigentlichen Höhepunktszene, nämlich als Rambo sich eine Wunde desinfizieren muss, die ihm sein sowjetisches Pendant zugefügt hat. Ein Splitter, der ihm seitlich im Oberkörper sitzt, wird von ihm aus dem Fleisch gedrückt und anschließend brennt er sich die Wunde aus. Die Flamme saust dabei durch ihn hindurch, das Feuer brennt ihn von innen aus und reinigt seinen Körper. Regisseur Peter MacDonald liefert mit diesem Film handwerklich jedoch lediglich Standardware ab. Das Aufwandsspektakel, das er zelebriert, markiert weiterhin den definitiven Schlusspunkt des Kinos, über das wir hier schreiben. RAMBO III ist der letzte und größte aller handgemachten Actionfilme. Was hier zerbombt wird, ist in der Filmgeschichte ohne Beispiel und außer der Arbeit der Pyrotechniker wird man hier sonst keine Tricks finden. Keine CGI, keine Rückprojektionen, keine Miniaturmodelle: Hier ist alles echt. Ein Aufwandskino, welches noch anders als im folgenden Jahrzehnt keine den Zuschauer bevormundende Rezeptionshaltung annimmt, sondern ungefiltert und direkt seine von Wahnsinn gekennzeichnete Materialschlacht abfeiert. Der Film markiert somit nicht nur das vorläufige Ende seines Genres, sondern auch des Kinos vor Einläuten der so genannten filmischen Postmoderne. Eigentlich hätte hier eine Ode an den Helden John Rambo als Schlusswort stehen müssen, doch der Mythos hat die Zeit überholt. Auf uns wartet JOHN RAMBO.