Anthroporambos
USA 1982
Regie: Ted Kotcheff, Drehbuch: Michael Kozoll & William Sackheim, Sylvester Stallone, Buch: David Morell, Kamera: Andrew Laszlo, Musik: Jerry Goldsmith, Schnitt: Joan Chapman
Darsteller: Sylvester Stallone (John Rambo), Brian Dennehy (Will Teasle), Richard Crenna (Samuel Trautman), Jack Starrett (Arthur Galt), David Caruso (Deputy Mitch), Michael Talbott (Deputy Balford)
Synopsis: Der Vietnamveteran John Rambo, ehemaliges Mitglied einer Eliteeinheit, tingelt seit Ende des Krieges durch die Vereinigten Staaten, ohne festes Ziel im Leben. Als er bei seiner Wanderung durch eine typische amerikanische Kleinstadt kommt, wird er dort schnell vom örtlichen Sheriff aufgegriffen, der ihn aufgrund seines ungepflegten Äußeren für einen Pennbruder hält. Er bringt ihn zur Stadtgrenze und macht ihm deutlich, nicht zurückzukommen. Doch John Rambo hat wenig Lust einfach so abgeschoben zu werden. Als er sich wieder zurück auf den Weg in die Stadt macht, nimmt ihn der Sheriff kurzerhand fest. Die Enge des Gefängnisses sowie die Misshandlungen einiger Deputies lassen sein Kriegstrauma ausbrechen und er beginnt sich zu wehren…
DER AUSSENSEITER: Über Produktionsnotizen oder ähnliche Trivia brauchen wir, denke ich, nicht zu reden, da der Film eh den meisten bekannt sein dürfte. Gehen wir deshalb gleich in medias res. Blicken wir heute, immerhin ein Vierteljahrhundert später, auf den Film, fällt als erstes seine unglaubliche Vielschichtigkeit auf. In seinen allerbesten Momenten erinnert der Film an die großen Heimkehrer-Dramen und integriert eben diese Stimmung in das Spektakel des Actiongenres. Dabei ist RAMBO, trotz seiner thematischen Mehrdimensionalität über Veteranenverachtung, blindwütigen Patriotismus, amerikanisch-selbstgefällige Borniertheit und einen unfähig-kalten Militärapparat formal ein Film über die Enge und Ausweglosigkeit. Bereits zu Beginn, nachdem das Bild aufgezogen ist, erfolgt ein Wechsel auf ein Seeblick-Panorama. Ab da gestaltet der Film nur noch eine Verengung von Raum und Wahlmöglichkeiten. Innerlich erhält John Rambo einen Dämpfer, weil sein letzter Freund, den er eigentlich besuchen wollte, an Krebs verstarb, eine sofortige unheilschwangere Musik auf der Tonspur erhöht den Druck. Als Rambo sich dann auf die Stadt Hope zu bewegt, ist rechts von ihm eine Felswand und die Umschließung der Berge verstärkt den genannten Eindruck von Ausweglosigkeit.
FUNKHUNDD: Aha, fangen wir also mit der Raumtheorie an! Ja, der ganze Film wirkt beengt und das, obwohl er ja in der sehr mit Freiheit assoziierten Frontier-Landschaft Nordamerikas spielt. Doch auch in den majestätischen Bergen des äußersten US-amerikanischen Nordwestens, einst Heimat zahlreicher Abenteurer und Pioniere, haben Spießer- und Rednecktum schon Fuß gefasst und ihrer Umwelt den Stempel aufgedrückt. Statt der „echten“ Wildnis haben wir hier ein auf den Schildern Hopes verkündetes „Holidayland“: eine Natur, die zum Freizeitpark im Originalmaßstab verkommen ist, auf dass sich die weekend warriors dort mit Schießgewehr und Flitzebogen verlustieren. Kein Wunder, dass ein drifter wie Rambo in Hope schon durch seine bloße Anwesenheit Verachtung und Misstrauen auf sich zieht. Seine Flucht aus dem Knast (der ihn an die Gefangenschaft in Vietnam erinnert) in die Berge ist auch eine Art Befreiung oder sogar Entfesslung dieser Natur: Wenn Rambo mit den ihn umgebenden Wäldern verschmilzt, das Wetter zu seinen Zwecken nutzt und aus dem Nichts zuschlägt, dann zeigt er den hilflosen Möchtegernabenteurern Hopes eine völlig fremde, gefährliche Welt, eine, die sich nicht zähmen lässt. Bildkompositorisch spiegelt sich das auch in der tristgrauen Farbgebung, die die Kleidung schon beim bloßen Ansehen klamm werden lässt, in dem engen Fokus, der nur selten Überblick gestattet und die Protagonisten meist von der gewaltigen Bergkulisse überragen lässt, wider.
A: Diese Enge ist es ja auch, die Rambos Trauma aus Vietnam begründet. Er kann sich nicht einsperren lassen – bei einem Blick auf die Gitterstäbe des Gefängnisses überkommt ihn die Erinnerung an seine Gefangenschaft in Vietnam – und muss in die Weite der Natur flüchten. Doch da Amerika nicht mehr ein Land von Pionieren ist bzw. die Grenzen fest abgesteckt sind, bleibt ihm nur mit dem Wald eins zu werden. Der nun offensichtlich seit Jahren entwurzelte und in den USA umherirrende John Rambo findet keinen Platz in der Zivilisation. Für die mit hartem Drill und künstlichen Drogen überzüchteten Kampfmaschinen hat man in Friedenszeiten keine Verwendung mehr. Eher stören sie, erinnern sie doch an einen unbeliebten Krieg, den am liebsten jeder vergessen würde und der für das Land selbst ein Trauma (eines der größten) darstellt. Ironie des Schicksals ist nun, dass eben jene Spezialausbildung, die ihn in der Heimat so schwer wieder Fuß fassen lässt, ihn befähigt, in den Wäldern, in denen die Bewohner der Stadt Hope eigentlich zu Hause sind, zu verschwinden und für die ihn verfolgenden Sheriffs in eine (Kriegs-)Hölle umzuwandeln. Diese (geo-)morphologische Vorgehensweise konfrontiert Sheriff Teasle und seine jung-arroganten Untergebenen mit einer Dimension des Schreckens, die ihnen bis dahin fremd war. Für die jungen Deputies scheint Vietnam weit weg. Ein geschichtliches Ereignis, mit dem sie nichts weiter zu tun haben. Dies spiegelt sehr gut den Geist Amerikas in den frühen 1980ern wider.
FH: Ja, Rambo bringt den Krieg nach Hause und es ist ziemlich interessant, dass die Art des Kampfes, die er perfekt beherrscht und praktiziert, die des einstigen Gegners ist: die Guerillakriegsführung. Wenn die USA ihn, den Vietnamveteranen, der für die Werte seines Landes in der sicheren Entfernung zur Mordmaschine – man könnte auch sagen: zum Anderen – gedrillt wurde, ihn nun nicht mehr bei sich aufnehmen wollen, dann muss er sein Land eben in den Ort verwandeln, an dem wiederum nur er zu Hause ist. Das ist das eigentlich Spannende an RAMBO: Er arbeitet mit einem doppelten Heimatbegriff. Die ehemalige Heimat, sein Land, ist für Rambo längst zur Fremde geworden, Vietnam – sowohl der reale Ort als auch ein psychischer Zustand – ist sein wahres Zuhause. Seine Heimkehr endet deshalb auch in einer Wendung nach innen. Er streift, wie du richtig sagst, schon seit Jahren durch die USA, ohne „anzukommen“. Am Ziel ist er erst wieder als er den Kämpfer in sich von der Kette lässt und die Wälder Oregons in den Dschungel Vietnams verwandelt. Die Rollen werden nun vertauscht, die Jäger werden zu Gejagten, die wie Hausfriedensbrecher einer nach dem anderen von Rambo gestellt werden. Und nachdem er seinen Raum verteidigt hat, geht er zum Angriff über und trägt den Krieg dann auch in das Zentrum von Hope. Übrigens ist der Name ja ein schlechter Scherz, denn den Blick nach vorn, der mit dem Begriff der Hoffnung verbunden ist, haben seine Einwohner mit einer totalen Abschottung vor der Vergangenheit erkauft, sowohl mental als auch eben räumlich. Und Rambo verschafft ihnen nun die nötige Konfrontationstherapie.
A: Sehr gut auf den Punkt gebracht! Die geballte Kraft, mit der er die nordamerikanischen Wälder in ein zweites Vietnam verwandelt, wird schon am Äußeren Sylvester Stallones sichtbar. Muskelbepackt und voller Narben, stellt sich unweigerlich der Eindruck einer Kampfmaschine ein. Auf figuraler Ebene kommt es zu einem ganz persönlichen Konflikt zwischen Rambo und Sheriff Teasle, wobei dieser eher von Letzterem forciert wird. Immer wieder betont Teasle, dass er Rambo lebend haben will. Was zu Beginn noch seiner Pflichterfüllung als Sheriff geschuldet sein mag, entwickelt sich nach dem Tod seines Freundes Galt, der durch seinen Fanatismus die Jagd auf die Spitze trieb, für Rambo zum Point of no Return und für Teasle zu einer persönlichen Angelegenheit, bei der er alles daran setzt, Rambo zu bekommen. Er möchte ihn zwar lebend, aber im späteren Gespräch mit Trautman gibt er zu, dass er den „Jungen“ unbedingt hätte töten wollen. Diese Widersprüchlichkeit lässt nur den Schluss zu, dass Teasle es unter allen Umständen selber machen wollte. Er sah in der Gefangennahme Rambos, den er dann am liebsten Mann gegen Mann erledigt hätte, seine Chance, eine weitere Trophäe zu erlegen. Kotcheff charakterisiert ihn sehr schön, als er frustriert in sein Büro zurückkehrt und es so aussieht als habe die Nationalgarde Rambo getötet. In einer sehr eng gefassten Einstellung – die auch wieder auf die Stimmung von Ausweglosigkeit verweist – sitzt Teasle an seinem Schreibtisch, im Hinterergrund ein Falke sowie drei Orden aus dem Armeedienst, im Vordergrund ein Namensschild mit einem ausgestopften Luchs daneben. Rambos Kopf konnte er sich nicht dazuhängen.
FH: Was Rambo auszeichnet, ist nicht nur sein immenses Geschick und die Beherrschung der Waffen, sondern vor allen Dingen seine Leidensfähigkeit. Diese Eigenschaft ist ja sowieso ein zentrales Motiv im Actionfilm, die dazu dient, den jeweiligen Helden zu einer echten Erlöserfigur zu stilisieren. Im von Gewalt geradezu besessenen Actionfilm der Achtziger findet dieser Trend seinen Höhepunkt. Wie sehr dieser John Rambo den Schmerz gewöhnt ist, wird in der von dir schon angesprochenen Szene im Gefängnis deutlich, wenn wir seinen zwar muskulösen, aber auch irgendwie ausgemergelt-sehnigen und von Folter vernarbten Körper zu Gesicht bekommen, der kein Vergleich zu der aufgepumpten Maschine aus Teil zwei und drei ist. Nach seiner Flucht läuft Rambo in der eisigen Kälte des Winters nur im Unterhemd bekleidet herum, später stürzt er sich dann in einem selbstmörderischen Akt der Verzweiflung von einer Klippe in einen Baum, wobei er sich eine tiefe Fleischwunde am Arm zuzieht, die er sich wenig später fachmännisch selbst vernäht: Eine Szene, die im dritten Teil noch übertroffen werden wird. Schließlich – der Gipfel seiner Passion – wird er sogar lebendig begraben, als die Nationalgarde, ein Haufen großer Kinder mit Kriegsspielzeug, den Eingang zu der Mine, in der er sich versteckt hält, sprengen und ihn mit den Ratten unter der Erde einschließen. Er ist einfach nicht kaputt zu kriegen, das macht ihn für Teasle natürlich zu einer begehrenswerten Opfer Trophäe. Zumal er damit ja auch sein ganz privates Statement zum Vietnamkrieg abgeben kann.
A: Wenn Teasle Rambo als Maschine bezeichnet, dann gilt das noch im übertragenen Sinne, auch wenn bei dem Vietnamveteran das Dschungel-Überlebensprogramm wie bei einer Maschine abzulaufen scheint. In den Fortsetzungen wird dies dann schon am Äußeren sichtbar gemacht, aber dazu werden wir später kommen. Was das Statement angeht, sprichst Du damit einen wirklich interessanten Punkt an. Die Generation, die Will Teasle repräsentiert, vertrat nämlich gerne den Standpunkt, dass der Vietnam-Krieg doch eigentlich gar kein richtiger Krieg war und es sich bei den zurückgekehrten um „Weicheier“ handeln müsse, die im Krieg lieber Drogen genommen haben oder einfach nur ausgeflippt sind. Doch wie John Rambo ihm sehr treffend sagt, als er alle von Teasles Männern kampfunfähig gemacht hat und selbigem ein Messer an die Kehle hält: „Hör auf, oder du wirst einen Krieg haben, den du nie begreifen wirst.“
FH: Ich habe mich gefragt, ob Teasles Name ein sprechender ist. Er klingt ja nicht wenig wie „tease“, was so viel wie „reizen“ bedeutet. Tatsächlich scheint er diesen „Gammler“, der da in seine Stadt kommt, geradezu zu einer Überschreitung des Gesetzes provozieren zu wollen.
A: Wenn wir nun zu Col. Trautman kommen, haben wir eine Figur, die scheinbar mehr dem entspricht, wie sich die Amerikaner ihr Militär vorstellen. Wie ein Zinnsoldat steht er im ersten Shot, der ihn einführt, da, mit Orden versehen, schneidig und beherrscht. Entsprechend seine militärische Ausdrucksweise, mit der er nicht nur permanent auf Rambos Unbesiegbarkeit verweist, sondern indirekt auch die glorreichen Tage lobt, in denen sie bis zu den Knien in „all dem Blut und Eingeweiden standen“.
FH: Trautman wirkt extrem mechanisch und hölzern, merkwürdig gebremst und geradezu deplatziert unter „normalen“ Menschen. Wahrscheinlich ist diese Steifheit die einzige Möglichkeit, angesichts der Kriegsgräuel nicht wahnsinnig zu werden oder so zusammenzubrechen, wie Rambo es am Ende tut. Und man merkt Trautman außerdem an, dass er es (noch) nicht gewohnt ist, nicht mehr aktiv am Kampfgeschehen teilzunehmen, sondern nun vom Schreibtisch aus zu arbeiten: Ein Zeichen dafür, dass auch in ihm ein Konflikt tobt, der bei Rambo zum Ausbruch gekommen ist. Kotcheff zeigt Trautman nicht mehr auf dem Schlachtfeld, also in den Wäldern, sondern in der Sicherheit der mobilen Einsatzzentrale der Nationalgarde. Erst ganz am Ende, kurz bevor es zu einer großen Katastrophe kommt, lässt er ihn aktiv eingreifen – ein Ausblick auf den dritten Teil, der einen anderen Colonel Trautman zeigt. In der Literatur zum Film wird Trautman oft als Vaterfigur für Rambo bezeichnet. Mich hat sein Verhältnis zu John Rambo eher an jenes des Schöpfers zu seiner Kreatur erinnert: Ich musste an Frankenstein und sein Monster denken. Trautman schwärmt mit der wortreichen Bewunderung eines Mechanikers darüber, dass man Rambo zu einer Maschine gedrillt habe, die Dinge essen würde, die normale Menschen sofort zum Kotzen bringen würden, nur um zu überleben. Für ihn ist dieser Soldat ein Ding, das man benutzt, dessen reibungsloses Funktionieren man bewundert, aber das man wegwirft, sobald es kaputt ist. Die moralische Legitimation solch einer Ausbildung stellt Trautman nie infrage. Doch während er so redet, versucht dieser Rambo wieder Mensch zu werden, was sowohl an den Vorurteilen seiner Umgebung als auch an seiner eigenen Verfassung scheitert: der Krieg hat sich in ihn unauslöschlich eingeschrieben.
A: Anders als Frankenstein bewundert Trautman jedoch nicht nur das, was er aus Rambo gemacht hat, sondern auch, was Rambo tut. Das Unvermögen Trautmans sich seinem Geschöpf auch emotional zu nähern, wird zum Schluss eindrucksvoll deutlich. Nachdem Rambo die Stadt systematisch zerstört hat, indem er die Tankstelle vernichtet und damit die Treibstoffzufuhr stoppt, die Strom- und Kommunikationswege lahm legt und das örtliche Waffengeschäft in die Luft jagt, begibt er sich zum Polizeirevier, sozusagen die Kommandozentrale. Als er Teasle gestellt hat und dieser wehrlos vor ihm liegt, verhindert Trautman Schlimmeres, indem er laut Rambos Namen schreit. Rambo lässt daraufhin zwar von Teasle ab, möchte dann aber zum Waffenschrank gehen, um seine Mission weiterzuführen, da das Polizeirevier inzwischen umstellt ist. Genau hier wird nun Rambos Kampfprogramm gestoppt, denn Trautman sagt ihm recht eindringlich, dass sein Einsatz vorbei ist. Es wirkt, als habe er den Aus-Knopf gedrückt und Rambo scheint wieder mehr zu sich selbst zurückzufinden. Plötzlich brüllt er los und startet seinen Monolog, in welchem er deutlich macht, wie sehr er all die Jahre zu leiden hatte. Er führt all die Dinge an, mit denen sich Trautman nie beschäftigt hat und offenbart damit das Trauma einer Nation. Als er heulend vor Trautman zusammenbricht, erkennt dieser erstmals, dass Rambo auch ein Mensch ist und nicht nur eine Kreation. Als Rambo an Trautman heran kriecht und weinend an seinem Hosenbund hängt, sieht man wie viel Überwindung es ihn kostet, ihn in seine Arme zu nehmen, doch es ist das Mindeste, was er für ihn tun muss. Seine militärisch-steife Haltung kann er aber auch dann nicht aufgeben.
FH: Ja, während Trautman all die Gräuel erfolgreich in sich versenkt und hinter einer unbeweglichen Fassade versteckt hat, dringen die Erinnerungen Rambos im Finale mit aller Macht an die Oberfläche. Welches Ausmaß an Leid ihm wiederfahren ist, wird nicht in den sekundenkurzen Bildern der Folter, die Rambo über sich ergehen lassen musste, am eindrucksvollsten illustriert, sondern implizit in einem Dialog zu Beginn: Als Rambo erfährt, dass sein Kumpel Delmar Berry – ein Kerl wie ein Baum, wie Rambo sagt – vom Krebs, den er aus dem Krieg mitgebracht hatte (wahrscheinlich verursacht durch den Kontakt mit Giftgasen), förmlich aufgezehrt wurde, bis nichts mehr von ihm übrig war, wird klar, wie stark sich dieser eher kleine John Rambo hat panzern müssen, um zu überleben. Bezeichnenderweise ist er der einzige aus seiner Kompanie, der noch lebt. Durch diese Alleinstellung erhält er beinahe märtyrerhafte Züge, die in den Sequels sogar ins Masochistische hineinspielen. Es sind aber nicht nur die schrecklichen Erfahrungen aus dem Krieg, die Rambo schließlich zusammenbrechen lassen, sondern eine Zerrissenheit seines Wesens: Rambo ist ja nicht nur Maschine, nicht nur Programm, nicht nur Schöpfung; er ist zum Töten und Kämpfen geboren. Wenn er sich in den Wäldern verschanzt, ist er zu Hause. Mit dem selbst geschnitzten Speer und seinem Messer macht er sich die Natur zum Verbündeten, verschwindet, verschmilzt mit ihr. Insofern vereint Rambo in sich gleichermaßen reine Natur und das Maschinelle. Das Tier wurde vom Militär in ein Korsett gepresst, der natürliche Instinkt ist der Treibstoff für die Maschine. Wenn sie einmal läuft, kann Rambo sie nicht mehr allein stoppen. Dafür bedarf es erst Trautmans – oder des eigenen Todes. Rambos Leid ist ein inneres und ein äußeres.
A: Sehr interessant ist dann auch das Schlussbild zu deuten. Wenn Rambo abgeführt wird, Trautman weicht jetzt nicht mehr von seiner Seite, wirft er einen Blick in die Ferne und scheint dabei gleichzeitig etwas zu fixieren. Der Blick ist so eingefangen, dass Stallone direkt über die Zuschauer hinwegzugucken scheint. In diesem Moment friert Kotcheff das Bild ein und der Song „It’s a long road“, von Dan Hill gesungen, ertönt. Während des gesamten Abspanns sehen wird das Standbild und diesen über den Betrachter hinwegsehenden Blick. Man könnte sagen, dass dieser kurze Moment, den John Rambo zwischen dem von ihm verursachten Chaos und der bevorstehenden Gefängnisstrafe hat, ein Moment der Ruhe ist. Er blickt in die Ferne und wirkt gleichzeitig ganz bei sich. Nach jahrelanger Ruhelosigkeit wird er nun wieder einer staatlichen Institution überantwortet werden und in den wenigen Augenblicken zwischen seinem Einsatz in Hope und dem Gang zum Streifenwagen ist er ruhend in sich selbst.
FH: Das Ende hat mich sehr irritiert, ich kann selbst nicht so genau sagen, warum. So eindeutig dieses Bild zu dechiffrieren ist – der Blick zurück, der Song, in dem es weiter heißt: „Each Step is only the beginning“, der Freeze Frame –, so sehr scheint es mit dem ansonsten sehr kompakten Film (wir sprachen ja über seine Enge) zu brechen, weil es über dessen narrativen Rahmen hinausweist. Aber darum geht es ja dann gerade wieder: Über die ewige Heimkehr dieses Soldaten, der nie an seinem Ziel ankommt, sondern immer wieder in seiner Vergangenheit landet. Der Blick nach vorn und der Blick zurück verschmilzen für John Rambo. Die Heimat findet er nur in sich.